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Sondermüll ist lukrativer als das Gemeinwohl

■ Grüne Umweltministerin Nimsch: Italienischer Müll schadet Bürgern nicht

Frankfurt/Main (taz) – Hat das hessische Umweltministerium den Import von Giftmüll aus Italien vorschnell und in vorauseilendem Gehorsam genehmigt? Das behauptet der Bürgermeister von Biebesheim, Thomas Rahner (Bündnis 90/Die Grünen). Wie berichtet, soll italienischer Abfall in der dortigen Sondermüllverbrennungsanlage (SVA) der Hessischen Industriemüll GmbH (HIM) verbrannt werden. Rahner nun meint, daß das Ausführungsgesetz zum Hessischen Abfallgesetz durchaus Handlungsspielraum biete. Auf dieses Gesetz hatte sich die hessische Umweltministerin Margarete Nimsch (Bündnis 90/Die Grünen) bei der Erteilung der Importgenehmigung berufen.

In Paragraph 16 des Gesetzes heißt es, daß Abfälle, die außerhalb des Landes Hessen angefallen sind, nur dann in hessischen Anlagen beseitigt werden dürfen, „wenn der Abfallplan dies zuläßt“. Der Abfallplan läßt das nicht zu. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Die seien zugelassen, „wenn dies mit den Zielen und Grundsätzen des Planes vereinbar ist und das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt ist“.

Für Rahner, seine ParteikollegInnen im Landkreis Groß-Gerau und für die Mitglieder der Bürgerinititaive gegen die SVA ist das „Wohl der Allgemeinheit“ bei der zusätzlichen Verbrennung von 1.000 Tonnen Lösemittel aus Italien „sehr wohl beeinträchtigt“. Daher hätte Nimsch gute Gründe gehabt, den Antrag der HIM zurückzuweisen. Nimsch hatte den Antrag dennoch genehmigt und eine Rücknahme ausgeschlossen. Das hat in der Region für böses Blut gesorgt. Bei einer weiteren Abkehr von den umweltpolitischen Grundsätzen der Partei, so Rahner, würden die Grünen in Biebesheim und in den umliegenden Gemeinden ihre Parteibücher zurückgeben und die Ortsvereine auflösen.

Hintergrund für den Import sind bestehende Überkapazitäten bei der HIM. Aber auch anderswo in Europa sind die SVA nicht ausgelastet. Die Folge: Preiskämpfe auf dem Sondermüllmarkt. Die HIM hat offenbar mit einem Sonderangebot den Zuschlag für die Verbrennung der italienischen Lösemittel erhalten. Übrigens deckt sich das europäische Recht, auf das sich Nimsch bei der Genehmigung berief, mit dem hessischen: In einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahre 1995 heißt es, daß die generell zu erteilende Genehmigung für Abfallimporte dann versagt werden könne, wenn das Wohl der Allgemeinheit nicht gewährleistet sei. Klaus-Peter Klingelschmitt

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