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Steuerreform auf dem Prüfstand

■ Finanzausschuß organisierte Anhörung von Experten

Bonn (taz) – Während drinnen gekämpft wurde, war draußen auf den Fluren die Resignation groß. Was die zweitägige Anhörung des Finanzausschusses über die Steuerreformkonzepte der Opposition bringt? „Nix“, sagt ein CDU- Mann. Statt Konzepte zu verfolgen, lebe die Politik zur Zeit nur von der Hand in den Mund. Für das Gelingen einer Steuerreform sieht er schwarz. Ein SPD-Mann übt sich in Galgenhumor: „Wir haben ein scheiß Steuerkonzept – aber auf hohem Niveau“. Und die Bündnisgrüne Christine Scheel stellt resigniert fest: „Es wurde gesagt, was immer gesagt wird.“

Schon die Entstehungsgeschichte der Anhörung unter Beteiligung von Politikern, Wissenschaftlern und Sachverständigen zu den Steuerreformvorschlägen von SPD und Bündnisgrünen ließ Böses ahnen. Die Koalition setzte darauf, daß die SPD sich einer Anhörung verweigern würde. „Opposition lehnt Anhörung über Konzept ab“, sollten die Schlagzeilen lauten. Die SPD zauderte und stimmte schließlich unter der Bedingung zu: Auch das Konzept der Bündnisgrünen sollte beraten und zudem die Zahl der Sachverständigen erhöht werden. Nun wollte zunächst die Koalition nicht mehr.

Eine Anhörung geht so: Unabhängige Sachverständige geben ihre Meinung ab, liefern Argumente und Hintergründe, und die Abgeordneten hören aufmerksam zu. Die Anhörung im Finanzausschuß lief so: Die Abgeordneten fragten jeweils diejenigen Experten, die ihrer Partei wohlgesonnen sind. Die unabhängigen Sachverständigen, die teilweise ehemalige Regierungsmitglieder sind, gaben die von ihnen erwarteten Bewertungen ab und verzichteten teilweise auf Begründungen.

Die Stellungnahme von Professor Stefan Homburg vom Lehrstuhl Öffentliche Finanzen in Hannover zu einer Frage der CDU lautete: „Das SPD-Konzept ist beschäftigungspolitisch wirkungslos – davon bin ich überzeugt.“ Warum, sagte er nicht. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) lobte das SPD-Konzept. Es sei gut, daß auf die weitergehende Besteuerung der Schichtarbeitszuschläge, von Lebensversicherungen und Lohnersatzleistungen verzichtet werde.

Es blieb vor allem den Interpretationskünsten der Politiker überlassen, Gewinn aus der Anhörung zu ziehen. Während der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz sagte, es habe sich gezeigt, daß so gut wie kein Wissenschaftler das SPD- Konzept unterstütze, meinte der finanzpolitische Sprecher der SPD, Joachim Poß: „Zentrale Elemente der SPD-Steuerreformkonzepts wurden von mehreren Forschungsinstituten positiv beurteilt.“ Er führte die von der SPD vorgeschlagene Senkung der Sozialversicherungsbeiträge an. Das RWI verspreche sich davon einen Beschäftigungszuwachs von 150.000 Menschen. Poß erwähnte nicht, daß das RWI das Entlastungsvolumen des reinen Steuerkonzepts der SPD als „haushalts- und gesamtwirtschaftlich unbedeutend“ bewertet. Markus Franz

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