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Geheimnisvolles Echo im Kanal

■ Eine Arno-Schmidt-Tagung zwischen Hingabe und Kritik

Mit drei Jahren konnte er lesen, mit dreizehn 20stellige Zahlen im Kopf multiplizieren und mit 36 schimpfen, das ein ganzes Land, zumindest seine schreibende Zunft zusammenzuckte. Kein zweiter Schriftsteller hat neben entrüsteter Abwehr so kultische Hingabe hervorgerufen wie Arno Schmidt, der 1914 in Hamburg zur Welt kam und mit 65 Jahren in Celle starb.

Er traute sich als einer der ersten im Leviathan an die Götterdämmerung des Dritten Reichs, schilderte kleinbürgerliche Existenzen im zaghaften Genuß des beginnenden Wirtschaftswunders in Seelenlandschaft mit Pocahontas, und die Gelehrtenrepublik schließlich ist sein antimilitaristisches Donnerwetter zum Korea Krieg und deutscher Wiederbewaffnung.

1958 verzogen sich langsam die Gewitterwolken am Himmel der deutschen Nachkriegsliteratur in Richtung Bargfeld, einem abgelegenem Heidedorf. Dorthin zog der demonstrative Asket aus, um im Schutz der Idylle den reinen poetischen Geist zu überdenken und seinen eigenen Kosmos zu entwerfen, den neben ihm nur die großen Toten der Literatur bevölkerten. Schluß also mit dem jakobinisch-aufrührerischen Ton, mit dem er sich als bissiger Kritiker der Adenauer Zeit und ihrer angeblichen Restauration empfohlen hatte, und auf zur großen Melancholie. Die Füße unterm Schreibtisch, die Gedanken auf verlorenen Schlachtfeldern, wütete er nicht mehr gegen Gott und die Welt, sondern rang mit polyglotten Sprachspielen um eine Sprache, in der das Unbewußte alles erhellende Funken schlagen sollte. Und die Sexualität schien ihm dabei schließlich immer mehr die eigentliche Triebfeder jeder künstlerischen Produktion zu sein.

Ausgestattet mit einem monströsen Zettelkasten, in dem von Joyce-Zitaten bis zu Tagesschau-Versprechern alles archiviert war, schuf er die vielleicht aufregendste Prosa seiner Zeit und hinterließ mit dem kiloschweren Zettels Traum, einen die Rezensentenwelt bis heute verstörenden Steinbruch.

Den alten Karl May hat er sowohl als „letzten deutschen Großmystiker“gepriesen als auch in kurios freudianischen Analysen als homoerotischen Romancier zu entlarven versucht. Jeder Hügel in Old Shatterhands Landschaft mußte als heimlich begehrte Pobacke herhalten und in Wörtern wie „Kanal“klang dem eifrigen Exegeten das verräterische Echo „anal“als tiefergelegter Sinn entgegen.

Dem „Gotteslästerer“und 1955 angezeigtem „Verbreiter unzüchtiger Schriften“widmet die Arno Schmidt Stiftung jetzt zusammen mit dem Nordkolleg Rendsburg von Freitag bis Sonntag eine Tagung. Zum Thema „Sexualität im Werk von Arno Schmidt“äußern sich neben Jan Philipp Reemtsma, Bernd Rauschenbach auch die AutorInnen Eva Demski und Bernd Eilert. Birgit Glombitza

Anmeldung unter 04331/ 143821

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