piwik no script img

Bremen als Drogenmarkt„Verteilungsämpfe“

■ Diskussion: Fahndung nach Dealern hilft wenig gegen offene Drogenszene

Joachim G. aus Dortmund fährt mindestens einmal im Monat nach Bremen, um sich hier mit frischem Stoff zu versorgen. In vielen nordrhein-westfälischen Drogenzirkeln gilt Bremen als eine Art Großmarkt für Heroin. Am Dienstag hat sich die AfB-Bürgerschaftsfraktion des brisanten Status der Hansestadt als Umschlagplatz für harte Drogen angenommen – 120 Bürger kamen zur Diskussion - viele von ihnen Bewohner des Ostertor- und Steintorviertels, dem Herzstück der heimischen Drogenszene.

Die verbreitete Annahme, Drogenhandel würde sich nur da abspielen, wo er provokativ vor den Augen der Öffentlichkeit stattfindet, ist ein Irrglaube. „Was wir sehen, ist nicht das Entscheidende“, eröffnete Referent Michael Haase, Leiter der Bremer Rauschgiftinspektion, die Veranstaltung. Der Handel mit harten Drogen habe sich längst über das gesamte Stadtgebiet ausgebreitet.

In Bremen operieren eng beieinander die Nigeria- und die China-Connection, türkisch/kurdische Clans kooperieren mit Balkan-Gruppierungen, die italienische wie auch die „Rote Russen-Mafia“haben ebenfalls einen Fuß in der Tür, und die synthetischen Drogen kommen vor allem aus Polen und den Niederlanden. Haase befürchtet brutale Verteilungskämpfe.

Die Drogenhändler seien viel besser organisiert als früher, sagte Haase. Heute sind oft vom Anbieten bis zur Übergabe des Stoffes drei verschiedene Personen eingeschaltet – an drei verschiedenen Orten, vernetzt per Handy. An die Chefs der Dealerringe sei trotz aller Bemühungen der Fahnder so gut wie gar nicht heranzukommen.

Die Bürger verlangen vor allem, daß die Szene vor ihrer Haustür verschwindet. „Wir wollen die hier nicht“– „Ich fühl mich nicht mehr sicher“– so die häufigsten Unmutsbekundungen am Dienstag.

Aber auch der Leiter der Kriminalpolizei, Eckhard Mordhorst und Rolf Günther vom Schulpsychologischen Dienst, konnten den Bremern keine schnelle Änderung versprechen. „Das Problem der Drogenkriminalität ist nur langfristig in den Griff zu bekommen – eine Aufgabe für Jahrzehnte“, so die Einschätzung von Mordhorst. „Das wirksamste Mittel gegen Drogensucht ist die Prävention“, so Günther. Alles richtig, alles schon mal gehört – und so gingen die Bürger mit dem selben Un-Mut nach Hause, mit dem sie auch gekommen waren. B.A.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen