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Wenig Geld, viele Kinder, kaum Steuern

Wieviel Steuern muß ich zahlen mit hohem oder niedrigem Einkommen, mit Kindern oder ohne? Die Grünen haben als erste Partei ein durchgerechnetes Steuerkonzept vorgelegt  ■ Aus Bonn Markus Franz

Während Koalition und Sozialdemokraten noch eifrig darüber streiten, wer von beiden das unseriösere Steuerkonzept vorgelegt hat, können die Bündnisgrünen jetzt als erste Partei auf ein durchgerechnetes Konzept verweisen. Etwa ein Jahr nachdem die Grünen eine sogenannte Verteilungsanalyse ausgeschrieben haben, liegen seit dieser Woche die endgültigen Ergebnisse vor: Erstmals läßt sich aus einem Steuerkonzept ersehen, wer wieviel Steuern zahlen muß und wie hoch seine anteilige Steuerlast ist. Die Koalition hat bisher nur einige Fallbeispiele vorgestellt, ohne daß ein Rückschluß auf alle individuellen Lebensverhältnisse (verheiratet oder ledig, mit oder ohne Kinder, Entfernung zum Arbeitsplatz etc.) möglich gewesen wäre.

Unter dem Druck des Steuerkonzeptes der CDU hatten auch die Grünen im April dieses Jahres ihr aufkommensneutrales Konzept offiziell vorgestellt, obwohl die Datenerhebung noch nicht abgeschlossen war. Das von den Grünen beauftragte und bezahlte Institut für angewandte Wirtschaftsforschung brauchte länger als gedacht für die Beschaffung der Daten über Lohn- und Einkommensstatistik. So hatte sich beispielsweise das Bundesfinanzministerium geweigert, die notwendigen Daten zur Verfügung zu stellen.

Anhand von Graphiken läßt sich jetzt ersehen, daß Bruttoeinkommen bis 90.000 Mark heute rund 40 Prozent der gesamten Steuerlast tragen müssen. Nach der bündnisgrünen Reform wären es noch rund 30 Prozent. Im unteren Einkommensbereich wird jeder von der Steuerreform der Grünen profitieren, obwohl die Grünen das Ehegattensplitting abschaffen, was etwa 17 Milliarden Mark in die Haushaltskassen spülen soll. Mehr als ausgleichend wirkt für Eltern die Erhöhung des Kindergeldes von 220 auf 300 Mark pro Kind. Alle anderen Arbeitnehmer haben aufgrund hoher Freibeträge, eines auf 15.000 Mark erhöhten Existenzminimums und eines Eingangssteuersatzes von 18,5 Prozent keine Einbußen. Profitieren werden auch die Arbeitnehmer mit „mittleren“ Einkommen zwischen 50.000 und 120.000 Mark. Hauptsächlicher Grund dafür ist die Möglichkeit, Vorsorgeleistungen für die Alterssicherung bis zu 2.500 Mark im Monat steuerfrei abzusetzen. Verlierer der grünen Steuerreform sind Bezieher hoher Einkünfte ab 120.000 Mark sowie Selbständige mit mittleren Einkommen, die keine Kinder haben und bisher vom sogenannten Ehegattensplitting profitiert haben.

Das Konzept von Bündnis 90/ Die Grünen droht gegenüber denjenigen von Koalition und SPD unterzugehen. Doch die Partei setzt darauf, daß sich das noch ändert. „Wenn wir 1998 in die Regierungsverantwortung kommen“, sagt Christine Scheel, „dann hätte unser Konzept auf einmal einen ganz anderen Stellenwert, weil die SPD kein durchgerechnetes Modell hat.“ Ein gemeinsames Konzept mit der SPD schließt die finanzpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion allerdings aus. „Wir haben ein kompaktes, schlüssiges Konzept, aus dem man nicht Teile herausbrechen kann.“ Stückwerk gebe es jedes Jahr bei der Erstellung des Jahressteuerkonzepts genug. Nun sei eine große Reform gefragt.

Auch die Autorengruppe um Christine Scheel mußte Kompromisse machen. Ursprünglich sah das Steuerkonzept die Besteuerung der Schichtzuschläge sowie der Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld) vor. Nach einem Aufschrei des Länderrates, dem obersten Gremium nach der Bundesversammlung, wurden diese Vorschläge einkassiert. Nicht durchzusetzen war auch ein Spitzensteuersatz von 40 Prozent (jetzt 45) sowie der Verzicht auf eine Entfernungspauschale (20 Pfennig pro Kilometer).

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