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SPD in erhöhter Einsatzbereitschaft

Mit einem Kongreß läutet die SPD die neue Phase ihrer Außen- und Sicherheitspolitik ein. Sie will nicht mehr Bedenkenträger, sondern Stütze des europäischen Sicherheitssystems sein  ■ Aus Bonn Dieter Rulff

Noch 1991 einte die Sozialdemokraten das sicherheitspolitische Ziel, Streitkräfte „überflüssig zu machen“. Der Satz, wie für die Ewigkeit ins Protokoll des Bremer Bundesparteitags gemeißelt, hat eine Verfallszeit von sechs Jahren. Auf ihrem Bundesparteitag in diesem Herbst werden die Sozialdemokraten sich die bittere Erkenntnis ins Parteibuch schreiben, daß „auch in unserer heutigen Welt zur Verhinderung von Gewaltpolitk die Fähigkeit und die Bereitschaft zum Einsatz militärischer Mittel erforderlich“ ist.

Der Gesinnungswandel ist festgehalten in einem Grundsatzpapier zur „sozialdemokratischen Außenpolitik im Übergang zum 21. Jahrhundert“. Ein Werk, das in leicht abgeänderter Form dem Parteitag in Hannover zur Abstimmung vorgelegt werden soll und mit dem, nach dem Willen des Vorsitzenden der Außenpolitik-Kommission, Rudolf Scharping, die Außen- und Sicherheitspolitik der SPD „neu formuliert“ und eine „Orientierung für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre“ gegeben werden soll.

Ein anspruchsvolles Projekt, das am Mittwoch mit einem großen außenpolitischen Kongreß der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Und ein geradezu anmaßender Zeitrahmen, legt man als Erfahrungswert die Lebensdauer der sozialdemokratischen Einsichten zugrunde, die mit dem Papier der Vergangenheit angehören. Noch 1993 war für die SPD „eine klare Grenzziehung möglich und erforderlich zwischen Blauhelm-Missionen (Peacekeeping) einerseits und Kriegsführung andererseits“. Nach der Erfahrung in Bosnien hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, „daß die Übergänge von Blauhelm-Missionen (..) zu militärischen Zwangsmaßnahmen fließend sein können“. Wollte man damals der Nato nur „in einem Prozeß des Übergangs“ bis zur vollen Wirksamkeit eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems auf der Basis der KSZE eine sicherheitspolitische Rolle zugestehen, so sieht heute Karsten Voigt in beiden Organisationen Bestandteile eines „stabilen Netzwerkes partnerschaftlicher Zusammenarbeit“. Sie ergänzen einander, ersetzen sich nicht.

Die neue Marschrichtung: Nato – ja bitte

Der Bundestagsabgeordnete hat wie kaum ein zweiter in seiner Partei für die nun eingeläutete sicherheitspolitische Trendwende gefochten. Er hatte den Abschied von der „provinziellen außenpolitischen Kultur“ eingeklagt und einen „aktiven Internationalismus“ eingefordert. Es ist eine Ironie der sozialdemokratischen Sicherheitspolitik, daß ihre realpolitischen Protagonisten das Feld in dem Augenblick räumen, in dem sie es erobern: Voigt verläßt den Bundestag. Vor ihm hat sich bereits Ulrich Klose auf das politische Altenteil zurückgezogen, er steht der sozialdemokratischen Rentnerorganisation vor. Günter Verheugen, dessen Handschrift das Papier in weiten Teilen trägt, wurde als außenpolitischer Sprecher der Fraktion abgekanzelt.

Bestandteil des von Voigt eingeklagten „aktiven Internationalismus“ ist die Osterweiterung der Nato. Trotz der bekannten russischen Bedenken, die auf dem Kongreß vom Botschafter Wladislaw Terechow vorgetragen wurden, erkennt Voigt in der Erweiterung einen „positiver Schritt zu einer gesamteuropäischen Friedensordnung“. Alles andere würde zu einer Bilateralisierung der Politik gegenüber den östlichen Nachbarn führen. Der normativen Kraft der absehbaren Beitritte beugt sich mittlerweile allerdings auch die Parteilinke. Die Bundestagsabgeordnete Katrin Fuchs begrüßte die Nato- Rußland-Akte ausdrücklich. Es blieb dem Mentor der Ostpolitik, Egon Bahr, vorbehalten, auf die abrüstungspolitischen Aspekte der Osterweiterung zu drängen. Er erhofft sich von den KSE-Verhandlungen ein „De-facto-Geflecht von Gleichgewicht auf niedriger Ebene“, das die drohende Debatte um eine Erweiterung der Erweiterung überflüssig machen werde.

Damit geht Bahr über das Papier der Kommission hinaus. Darin wird lediglich gefordert, daß „die Militärpotentiale der Nato durch die Osterweiterung nicht erhöht“ werden. Noch in einem Vorentwurf wurde im Herbst letzten Jahres die Frage aufgeworfen, warum in den europäischen Natostaaten zwei Millionen Soldaten Dienst tun, es wurde eine „drastische Abrüstung“ und die Bildung „europäisch integrierter Streitkräfte“ gefordert. Diese europäischen Perspektive, die auf eine Aktivierung der WEU hinausliefe, wurde in ein gesondertes Europa-Papier verbannt. Eine Debatte über diese Frage fand auf dem Kongreß nicht statt. Eine der damaligen Autorinnen, die stellvertretende Vorsitzende Heidi Wiezcorek-Zeul, kündigte allerdings eine Entscheidung für den Parteitag an.

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