piwik no script img

Wo sich die Szenen tummeln

■ Nie wieder menschenleere Plätze: Bei der Fête de la Musique will man einiges anders machen als beim letzten Mal

War man letztes Jahr noch an der Aufgabe gescheitert, ganz Berlin in eine stadtumspannende Musikmeile zu verwandeln, so dürfte diesmal eigentlich nichts mehr schiefgehen mit dem dezentralen Musikfest – vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Das Wochenende steht vor der Tür, die Werbetrommel wurde auch früh genug gerührt, und das ambitionierte Konzept ein wenig kleiner gefahren. Diesmal, anders als im letzten Jahr, verteilen sich die 11 Bühnen nicht so sehr auf markante Punkte wie das Brandenburger Tor oder den Alexanderplatz, sondern suchen die Nähe zu den Orten, an denen sich auch sonst die diversen Szenen tummeln. So wird es wohl nicht noch einmal passieren, daß frustrierte Bands auf großen Bühnen vor fast menschenleeren Plätzen aufspielen, wo überraschte Wochenendeinkäufer mit vollen Plastiktüten nach Hause hasten.

Die Vernetzung der Partnerstädte ist ein wesentlicher Teil des Konzepts der Fête de la Musique. Seit die Idee vor fünfzehn Jahren in Paris geboren wurde, hat sich das Festival rund um den Globus ausgebreitet. Und zumindest die europäischen Städte, die sich die französische Idee zu eigen gemacht haben, kooperieren miteinander durch musikalischen Austausch. Als Botschafter Berlins reist der ägyptische Sänger Nasser Kilada nach Barcelona, Ex-Dissident Hamid Baroudi wurde nach Paris eingeladen, und die türkischen Fusionisten Orientation besuchen mit ihrer Schwester Aziza Budapest.

Im Gegenzug dazu geht es auf der Europäischen Bühne vor dem Abgeordnetenhaus besonders kosmopolitisch zu, denn hier spielen die Gäste aus den beteiligten Metropolen. Das tschechische Musikwissenschaftlerpaar Irena Havlova und Vojtech Havel läutet mit historischen Instrumenten wie Viola da Gamba und Cornetto, denen sie moderne Töne entlocken, sowie mit Klangschalen und klassisch verfremdetem Cello den Nachmittag ein. Experimentelle Klangwelten konstruieren auch Kampec Dolores aus Budapest, wenngleich es bei ihnen eine Spur rockiger ausfällt. Ungarische Harmonien mischen sich unter wortlos-assoziativem Gesang von mysteriöser Archaik und subtil gebrochenen Rhythmen.

Mediterrane Unbekümmertheit, mit Ironie gespickt, verbreiten im Anschluß an Kampec Dolores drei Jungs namens Ai Ai Ai mit katalanischem Rumba. „It's so hard to be a catalan“, singen sie. Schwer zu glauben. Headliner der Gästeliste sind freilich die französischen Interpreten. Kent, der sich vom Punkrocker zum chansonesken Pop-Songwriter wandelte, war erst kürzlich mit Element of Crime auf Tour. Seine Stücke besitzen einen starken maghrebinischen Flair und erinnern gerne an die famosen Negresses Vertes. Sawt El Atlas hingegen sind tatsächlich eine arabische Imigrantencombo, die mit Reggae, Rai und Ragga neue Wege aus der Banlieue geht. Für Entertainment ist also gesorgt, doch das soll nicht alles sein.

Ein anderer zentraler Gedanke der Fête de la Musique ist nämlich das Do-it-yourself-Prinzip: Selbst zum Instrument greifen und damit auf die Straße treten. Nur läßt sich das schlecht generalstabsmäßig planen. Genausowenig wie das Wetter. Daniel Bax

Termine siehe Tagesprogramm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen