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Klezfun, Khassidim

■ 50. Konzert der ältesten Bremer Klezmer-Kombo „Mechaye“

Klezmer, ursprünglich die Tanz-und Fest-Musik der osteuropäischen Juden und Jüdinnen, scheint sich in Bremen besonderer Beliebtheit zu erfreuen – oder heimische „Klezmorim“haben eine besonders treue Fangemeinde. Jedenfalls war das Konzert von Mechaye am Freitagabend restlos ausverkauft. Sicher erfreulich für die vor sechs Jahren gegründete Kombo, schließlich gab's ein kleines Jubiläum: Das vorwiegend gesetztere Publikum lauschte dem 50. Auftritt.

Das Repertoire von Mechaye beschränkt sich nicht auf traditionelle Klezmer-Stücke; stets werden auch Eigenkompositionen präsentiert, in denen die überlieferten Formen auch schon mal in andere Stilrichtungen ausgeweitet werden, und von Marianne Weyh gesungene jiddische Lieder mit ganz unterschiedlichem Charakter.

Dazu gehörten beim Jubiläumskonzert Liebeslieder, ekstatische Lieder der Khassidim (einer charismatischen Bewegung im osteuropäischen Judentum), Spottlieder wie „Rabbi Tam“, das vom vermeintlichen Liebesbrief der „Königin der Türkei“(sic) an den Rabbi, der sich als Scherz des benachbarten Schneiders entpuppt, erzählt, sowie melancholische Ghetto-Lieder mit tragischem Hintergrund, entstanden im Wilnaer Ghetto und im Angesicht der nationalsozialistischen Ausrottungspolitik.

Ekstatisches ward angekündigt

Selbst in diesen Liedern spiegelte sich bei Mechaye die musikalische Charakteristik, die auch Klezmermusik kennzeichnet: Eine ausgesprochen feinsinnige Balance von ausgelassener Freude und Schwermut. Die Mitglieder von Mechaye erwiesen sich als kompetente InterpretInnen dieser Musik, denen es weniger um solistische Extravaganzen, als um einen geschlossenen Ensemblesound geht.

Wolf Lieb ließ seine Klarinette jubilieren, klagen und lachen, wie es sich gehört. Geiger Marcus Bert-hold tat es ihm gleich, zeigte darüber hinaus in seinem Spiel auch die stilistischen Überschneidungen des Klezmer-Repertoires mit ungarischer Zigeunermusik. Für die rhythmische Basisarbeit im schlagzeuglosen Quintett waren Ralph Spill am Baß und Jürgen Preckel am Akkordeon zuständig. Preckel war es zudem, der sowohl in seinen kurzen Soli wie in seiner Komposition „Klezfun“(mit Rock- und Manouche-Swing-Zitaten) für besonderen Drive sorgte.

Sängerin und Gitarristin Marianne Weyh wußte vor allem in den getrageneren Liedern zu überzeugen. Beim als ekstatisch angekündigten chassidischen Tanzlied „Tscha“und beim altbekannten Evergreen „Bey mir biste sheyn“hätte man sich allerdings ein wenig mehr Emphase und Dynamik im Gesang gewünscht. Nichtsdestoweniger war das Publikum begeistert, amüsierte sich prächtig beim „Meschugge Nigun“, einem ausgelassen schrägen Instrumental, der auch den MusikerInnen offensichtlichen Spaß bereitete, und entließ die Gruppe erst nach zwei Zugaben.

Arnaud

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