: Das UN-Tribunal schlägt eine härtere Gangart ein
■ Die Chefanklägerin in Den Haag arbeitet jetzt mit nichtöffentlichen Anklagen
Freiburg (taz) – Louise Arbour, die Chefanklägerin des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag, will, daß die Staaten des ehemaligen Jugoslawien endlich mit dem internationalen Strafgericht kooperieren. Und sie will, daß die zahllosen noch unbehelligt lebenden mutmaßlichen Kriegsverbrecher endlich festgenommen und nach Den Haag überstellt werden. Ihre „neue Strategie“ erläuterte sie am Dienstag abend in der Freiburger Universität.
Eigentlich war nur ein zeitloser Vortrag vor akademischem Publikum geplant. Doch nachdem am letzten Freitag UN-Mitarbeiter erstmals selbst den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Slavko Dokmanivić verhaftet hatten, stand unversehens die Tagespolitik im Vordergrund. „Ja, wir haben eine neue Strategie“, bestätigte die kanadische Juristin. „Wir arbeiten jetzt mit nichtöffentlichen Anklagen.“ Auch gegen Dokmanović, den ehemaligen serbischen Bürgermeister von Vukovar, lag eine solche geheime Anklageschrift vor. „Deshalb war die Öffentlichkeit überrascht, als er verhaftet wurde – und er selbst ebenfalls.“
Wie viele solcher geheimer Anklageschriften in ihren Schubladen liegen, wollte Arbour nicht sagen. „Es war aber nicht die erste“, stellte sie klar. Die Anklägerin muß in jedem einzelnen Fall die Richter des Tribunals von der Geheimhaltung überzeugen.
Bei der Verhaftung von Dokmanović war wohl auch etwas List im Spiel. Nach Angaben seiner Ehefrau war der Serbe in das von der UNO kontrollierte Vukovar nur zurückgekehrt, um den UN- Verwalter Jacques Klein zu treffen. Louise Arbour dementierte diese Darstellung nicht. „Dokmanović kam durchaus freiwillig nach Ostslawonien“, so die Juristin, „aber er wäre wohl nicht gekommen, wenn wir ihm seine Verhaftung angekündigt hätten.“
Auch im Umgang mit den widerspenstigen Staaten Ex-Jugoslawiens will die energische Chefanklägerin eine härtere Gangart einschlagen. Verweigern die Staaten dem Tribunal angeforderte Dokumente, so will sie künftig gezielt gegen deren Minister vorgehen. Gegen den kroatischen Verteidigungsminister hat sie bereits einen Haftbefehl beantragt. Christian Rath
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