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Gartenparties fürs Poesiealbum

■ Grünpflanzen leihweise: Weil Britta Niehaus miefige Clubluft nicht mag, veranstaltet sie im Acud die Open-air-Bar „Mein viel zu grünes Wohnzimmer“

Ab jetzt darf es nicht mehr regnen. Und wenn es unbedingt sein muß, dann, bitte schön, nur noch montags, dienstags oder mittwochs. Schließlich gibt es an den anderen Wochentagen im Hinterhof des Kulturhauses Acud eine neue Location mit Freiluft-Barbetrieb. Weil die Gastgeberin Britta Niehaus, die übrigens ansonsten unter dem Künstlernamen „Singsang“ die Konzertbeiträge im Eimer organisiert, „es einfach satt hatte, sich in verqualmten Buden einräuchern“ zu lassen, ließ sie sich zu einer ungewöhnlichen Aktion hinreißen: Etwa zwanzig Baumschulen und Gärtnereien schrieb sie an, mit der Bitte, ihr bei der Ausstattung ihrer Hinterhofbar sponsorenderweise zur Seite zu stehen. Die Späth'sche Baumschule machte schließlich das Rennen, schaffte einige Lastwagenladungen voll Dekomaterial in Form von Grünzeug in den Open-air-Club, was den eigentlich ja eher häßlichen Hinterhof in der Veteranenstraße schließlich auf wundersame Weise in ein ungeahnt hübsches, sommerliches Gartenidyll verwandelte.

„Mein viel zu grünes Wohnzimmer“ – der Name der Bar ist gleichermaßen Programm. Zwischen Gummibäumchen, Rosenstöcken und etlichen namenlosen Topfpflanzen und Blumensträußen treiben sich vor allem solche Leute herum, die zu Hause keinen eigenen Balkon oder Garten haben. Sekt, Wein und Cocktails gibt es zu moderaten Preisen (Wein: 4 Mark), und ganz nebenbei wird auch Kleinkunst präsentiert. „Es soll so sein, als würde man ein Poesiealbum aufschlagen“, beschreibt die Gastgeberin ihr Anliegen. Auf der Gästeliste stehen unbekannte und bekannte Berliner Künstler aus allen möglichen Bereichen, wie die Super-8-Filmerin mit dem lustigen Pseudonym Highke Wengdeng, die Sängerin Barbara Morgenstern, die Videokünstler Honey Suckle Company, dazu verschiedene DJs wie Stanislav oder der Kiss 99er e.d. 2000.

Bis das grüne Wohnzimmer am 3. August schließlich wieder abtransportiert wird, soll das Programm an jeweils vier aufeinanderfolgenden Tagen mit Themenabenden die verschiedenen Sinne ansprechen. So erklärte die Veranstalterin den Donnerstag mit seinen Live-Acts aus den Sparten Gesang oder Performance zum allgemeinen „Hirntag“. Nicht weniger anspruchsvoll ist auch der Freitag, der mit Video- oder Super-8-Vorführungen im Zeichen des Auges steht. Der „Ohrtag“ am Samstag bietet dagegen einen programmfreien Barbetrieb, bei dem nur ein DJ seine Teller bedient. Programmfrei bleibt auch der Sonntag, der als „Magentag“ bereits ab 19 Uhr zur Grillparty lädt. Das Motto lautet, so munkelte es zumindest aus dunklen Szenekreisen: „Wir grillen unsern Hund!“

Während die Eröffnungsparty am letzten Donnerstag mit der Darbietung von Barbara Morgenstern bei einem 1a Wetter stattfand und dementsprechend mit rund 250 Anwesenden ziemlich voll war, ging es nach einem regenweichen Tag am folgenden Abend eher beschaulich zu. Gegen einen kurzen und bündigen Guß schützt immerhin ein provisorisch über den Hof gespanntes Zeltdach. Doch Singsang bleibt optimistisch, ihre Erfahrungen als Veranstalterin haben sie immerhin eines gelehrt: „Wenn schönes Wetter ist und du etwas planst in einem engen und dunklen Club, dann kannst du Gift darauf nehmen, daß kein Mensch kommt.“

Für den August plant sie deshalb direkt eine Anschlußveranstaltung, von der bisher nur der Titel bekannt ist: „Mein viel zu blaues Badezimmer“ soll die Aktion heißen, die ebenfalls unter freiem Himmel stattfinden wird. Ob der Titel als Anspielung auf mögliche Regenschauer verstanden werden soll oder ob Singsang ihren nächsten Sponsor unter den Städtischen Schwimmbadverwaltern gefunden hat, bleibt erst mal Geheimnis. Kirsten Niemann

„Mein viel zu grünes Wohnzimmer“, Do. und Fr., 22 Uhr (mit Programm), Eintritt: 12 bzw. 6 Mark (mit Clubkarte die Hälfte). Sa./So. freier Eintritt und keine Kunst. Heute Seemannslieder von „Auge mit Hering“. Veranstaltungen im Hinterhof des Acud, Veteranenstraße 21, Mitte.

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