: Der Euro-Zehner
Heute vormittag, ich genehmige mir grade 'n Mokka ausse Termosbuddel, kommt da so'n Tüp an mein' Kiosk und verlangt de „Wuff“. Das ist das Hundemagazin für Kampfhundhalter aussen Künos-Verlag. Wo man schwarz auf weiß nachlesen kann, wie gutartig und lieb diese Viecher sind, speziell diese Pitbulls, Bullterrier und Mastinos. Und wenn se mal 'n Asylbewerber de Kehle durchbeißen, liegt das bloß an die ihre aufdringliche Parfüms, wo se de sensible Nasen vonne Tiere mit belästigen. Oder neulich, wo ein Mastino ein' Schulanfänger aus Gelsenkirchen 'n Ohr abgerissen hat: Warum trägt so'n Kind nicht seine gelbe Schulanfänger-Pudelmütze? Und inne Beißstatistik liegen se sowieso weit hinter de Schäferhunde und sogar noch hinter de Rehpinscher. Gut, ich zieh also den „Wuff“raus, lang ihn über den Tresen und sag: „Das macht denn 8,–“, da schiebt mir der Tüp so'n violetten Schein rüber mitte Zahl 10 drauf. „Was ist das denn?“frag ich, „Sieht aus wie'n Lappen aus Rumänien oder Bulgarien, den stecken Sie man schön wieder ein!“„Es ist ein EURO-Zehner“, antwortet der Tüp, „und er entspricht dem doppelten Mark-Wert. Sie dürfen mir also 12 Mark wieder herausgeben. Oder natürlich 6 Euros.“„Ich weiß nicht“, sag ich, „ich glaub nicht, daß meine Kunden Ihrn Schein akzeptiern und mein Zeitschriften-Großhandel erst recht nicht. Und wenn ich mir da was für kaufen will, den Schein nimmt mir keiner ab!“„Das sind doch alles nur Ausflüchte“, sagt der Tüp leise und läßt den Kopf hängen, „ich merke schon, Sie haben was gegen Europa.“„Aber überhaupt nicht“, protestier ich, „gucken Sie sich doch mein Angebot an: türkische, griechische, polnische, russische, schwedische, englische, sogar de luxemburgische Presseorgane hab ich vorrätig. Bei mir gibt's keine Diskremenierung!“„Aber dann verstehe ich erst recht nicht ...“„Ich will Ihn' mal was total ehrlich ... so von Mann zu Mann: Ich glaub nämlich nicht, daß der Schein ECHT ist.“„Sie halten ihn für eine Fälschung?“schluckt er. „Tut mir leid“, sag ich, „aber allein de beiden alten Knacker, die da auf abgedruckt sind, sehn doch aus wie zwei Krimmenelle aussen Hochsicherheitstrakt.“„Es sind Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, die Vorkämpfer für ein vereinigtes Europa, allerdings gemalt von dem Künstler Immendorf.“„Und wieso hat man noch nichts davon gehört, daß der Euro schon eingeführt worden ist? Ich hör immer, daß de Bedingungen noch nicht erfüllt sind. Deswegen hat Herr Waigel doch neulich sein' doppelten Hörsturz gekriegt!“„Die Bedingungen sind erfüllt, seitdem man die Regierungsgebäude in Bonn und Berlin an Veranstalter von Popkonzerten und Love Parades vermietet, die Einnahmen daraus haben den Schuldenberg des Staates fast abgetragen.“„Und wieso ist noch nichts davon in' Fernsehn gewesen, daß wir nu den Euro habn?“„Jede Minute Sendezeit kostet zig Tausende, und der Herr Finanzminister muß immer noch eisern sparen.“„Na schön“, sag ich, „denn will ich mal was für Europa tun“, und geb den Tüpen 12 Mark raus. Klar, daß ich mir mit den Euro-Schein den A... abwischen kann! Warum ich den Schein akzeptiert hab, willst Du wissen? Weil ich erst gegen Ende unserer Unterhaltung, als der Tüp sich so'n bischen zur Seite drehte, da hab ich den Pitbull gesehn, der sich bis da in sein' Windschatten gehalten hatte.
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