: Kleine Geister, große Pläne
■ Drohungen, Spitzeleien, mangelhafte Absprachen: Die Auseinandersetzung um die Druckwerkstatt des BBK im Bethanien nimmt immer groteskere Züge an
Das Fax war mit dem Vermerk „persönlich eilt“ versehen – offenbar handelte es sich um eine Angelegenheit von höchster Dringlichkeit. Das Künstlerhaus Bethanien, so monierte der Absender des Briefes, habe Räume für eine „Kampagnge“ gegen den Berufsverband Bildender Künstler (BBK) und dessen Kulturwerk zur Verfügung gestellt. „Sie verstehen unsere Irritation“, schrieb Thomas Spring, Geschäftsführer des BBK-Kulturwerks, „sollte die Künstlerhaus Bethanien GmbH gegen eine für die Bildenden Künstler unverzichtbare Einrichtung wie das Kulturwerk und den BBK Stellung beziehen.“ Was dann folgte, konnte Michael Haerdter, Leiter des Künstlerhauses Bethanien und Empfänger des Briefes, eigentlich nur als Drohung verstehen: „Wir sind interessiert zu erfahren“, so Spring scheinheilig, „ob die Überlassung des Studio 2 tatsächlich in Kenntnis des Vorhabens geschah.“
Es half nichts: Die Ausstellung, mit der die Mitarbeiter der Druckwerkstatt des BBK gegen die bevorstehende Entlassung von drei ihrer Kollegen und die damit verbundene Schließung der Abteilungen Projektmanagement, Buch- und Offsetdruck demonstrieren wollten, fand trotzdem statt. Nicht nur das: Sie wurde zu allem Überfluß auch noch ein voller Erfolg. Über 500 KünstlerInnen aus dem In- und Ausland schickten spontan virtuos gestaltete Protestnoten in Postkartenform, prominente Ausstellungsmacher und Kuratoren wie Kasper König, die documenta- Macher Rudi Fuchs und Jan Hoet sowie Alexander Dückers, Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts, bekundeten ihre Solidarität (siehe taz vom 7. Mai).
Doch der Versuch, durch Einschüchterung Haerdters mißliebige, weil öffentlichkeitswirksame Kritik in letzter Minute zu verhindern, war nur der Auftakt zu einem Hauen und Stechen, das seitens des BBK mit zusehends härteren Bandagen geführt wird. Zuerst untersagte Spring den Mitarbeitern der Druckwerkstatt jede weitere Stellungnahme. Nicht die einzige drastische Maßnahme, die der Kulturwerk-Geschäftsführer ergriff. Einen krank geschriebenen Mitarbeiter hatte er über Wochen hinweg durch eine private Detektei observieren lassen.
Auch das sogenannte Anti-Amputations-Komitee, eine Initiative der KünstlerInnen Marietheres Finkeldei, Martin Noll und Knut Werner-Rosen, sollte per Gerichtsbescheid und Androhung eines Ordnungsgeldes von 500.000 Mark mundtot gemacht werden. Finkeldei, Noll und Werner-Rosen hatten sich erdreistet zu behaupten, der BBK „führe seine Geschäfte mittels Drohungen oder Falschmeldungen“. Herbert Mondry, Vorsitzender des BBK, denkt darüber naturgemäß ganz anders, sieht sich „dem Vorwurf der Kriminalität“ ausgesetzt und mahnt seinerseits in spätstalinistischer Manier die Solidarität der BBK- Mitglieder gegenüber ihrem Verband an. Es kann nicht sein, so Mondry, daß sich der BBK bei internen Streitigkeiten verausgabe, um dann, wenn es gegen den wirklichen Gegner geht – den Senat, der wieder einmal etwas von dem 1,87-Millionen-Etat wegschneiden will –, handlungsunfähig und unglaubwürdig dazustehen.
Dabei ist es mit der Solidarität beim BBK so eine Sache: Um die Kündigungen der drei Mitarbeiter abzuwenden, hatte die Belegschaft der Druckwerkstatt schon vor Monaten vorgeschlagen, alle Angestellten des BBK mögen in diesem Jahr freiwillig auf das Weihnachtsgeld verzichten. Die Summe, die so zustande gekommen wäre, hätte gereicht, um das Defizit von 75.000 Mark, das die Kündigungen angeblich unabwendbar machte, vollends zu decken. Der Vorschlag wurde in Rekordtempo abgelehnt.
Vielleicht auch deshalb, weil die Führungsriege des BBK Großes vorhat mit der Druckwerkstatt. Seit Monaten geistern, wohl aus der diffusen Angst, etwas Entscheidendes zu verpassen, die Schlagworte von der „Medienwerkstatt“ und den (durchaus bereits existierenden) „Computerarbeitsplätzen“ durch die Gänge der BBK-Verwaltung an der Köthener Straße. Wo der Sprung ins nächste Jahrtausend ansteht, so die verquere Logik der BBK-Leitung, können altmodische Techniken wie Offset- oder Bleisatzdruck nur hinderlich sein. Demnächst will man einen Antrag auf Lottomittel stellen.
Einen Verbündeten haben Spring und Mondry auch schon im Auge, es ist die Akademie der Künste (AdK) respektive der Künstlerhof Buch, auf dem die AdK ebenfalls seit längerem eine Medienwerkstatt einrichten möchte. Doch ob die Kooperation fruchtbar sein wird, ist momentan mehr als fraglich. Zwar sei man gern bereit, „den BBK als Juniorpartner mit ins Boot zu holen“. Doch wenn überhaupt eine Medienwerkstatt mit Beteiligung der Akademie entstehe, sagt Christian Kneissl von der AdK, dann „natürlich nur im Künstlerhof Buch“. Kein Zweifel, der Druckwerkstatt, derzeit noch eine in ihrer Form europaweit einmalige Einrichtung, stehen glorreiche Zeiten bevor. Ulrich Clewing
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