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Kein Geheimnis unter dicker Schminke

■ Eitel und einfallslos: Bilder des Popstarfotografen Jim Rakete in der Barlach-Halle K

Sein Name klingt, als hätte ihn sich ein windiger Manager zu Hochzeiten der Neuen Deutschen Welle ausgedacht. Aber einen Manager hatte Jim Rakete nie nötig, war er ja schließlich selbst. Während seiner Arbeit als Fotograf stieß er bekanntlich auf Nina oder Nena, doch er lichtete die Sängerinnen nicht nur ab, er präparierte sie im weiteren Sinne für das Licht der Öffentlichkeit.

Jim Rakete war eine Zeitlang Manager und Fotograf, und wer, wie der Künstler selbst, das Pathos mag, könnte sagen, daß ihm diese Personalunion zum Verhängnis geworden ist, denn irgendwann sah er durch die Linse nur noch das fertige Produkt. Marketingbeauftragte der Unterhaltungsbranche konnten ihm ihre Stars bedenkenlos anvertrauen, denn Rakete setzte sie in Szene, wie sie sich das in ihren schönsten Träumen ausgemalt haben. Eitelkeit und Einfallslosigkeit sind die auffälligsten Eigenschaften seiner Bilder.

Es sei denn, man findet es originell, den New Yorker Jazzschnösel John Lurie vor einem Hydranten zu postieren oder die schöne und wilde Regisseurin Katja von Garnier, die jüngst in ihrem Film Bandits eine ähnlich einfältige Vorstellung von Freiheit bebildert hat, mit dem Motorrad über den Strand heizen zu lassen. Der Fotograf als Höfling: Daß Rakete die Eitelkeit seiner Auftraggeber entlarvt, ist ein ungewollter Nebeneffekt. Der Prominentenausfrager Roger Willemsen darf bei ihm im Gegenlicht mit rudernden Armen den Visionär spielen, das Musical-Grauen Ute Lemper die Femme fatale raushängen lassen.

Anfang der Achtziger ist für Rakete die Zeit stehengeblieben. Individualisten nannte man damals schräge Vögel, und wenn eine Frau mehrlagig geschminkt war, mußte hinter ihrer Maske wohl ein Geheimnis verborgen sein. Das Bild, das man am stärksten in Erinnerung behalten wird, ist eins von Nina Hagen: Die Haare sind wavig zerwuselt, die Wangen kalkweiß, ihre Zigarette hält sie ungelenk wie ein außerirdisches Accessoire. Das ist nicht das Leben, eher ein Stilleben. Von komplizierten Chiffren hält der Fotograf sowieso nichts, für ihn ist Rockstar, wer ein Instrument hat. Weshalb der arme Rio Reiser mit Gitarre vor seinem Kaninchenstall Aufstellung nehmen und die Rocknudel Cosa Rosa mit ihrem Keyboard durch die Straßen eiern muß.

Doch Jim Rakete hat nicht immer gearbeitet, als sei er vom Stern fürs Titelblatt eingekauft worden. Ein gerade erschienener Bildband, in Teilen in der Barlach-Halle K ausgestellt, zeigt einige Porträts aus den frühen Siebzigern. Damals hatte er gerade die Schule geschmissen und fotografierte Kerle wie Rainer Werner Fassbinder oder Mick Jagger. Eine Sehnsucht liegt in deren Augen, der Jim Rakete irgendwann verlustig gegangen ist. Christian Buß

„Jim Rakete. Photographie“, Schirmer/Mosel 1997, 216 Seiten, 78 Mark

Ausstellung: Barlach-Halle K, Klosterwall 13, täglich (außer Mo) 12 bis 18 Uhr

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