Wasser muß von unten kommen

■ Mineralwasser muß keine Mineralien enthalten oder gesundheitsfördernd sein, sagt der Europäische Gerichtshof

Freiburg (taz) – Mineralwasser muß weder „gesundheitsdienlich“ sein noch bestimmte Mineralstoffmengen enthalten. Dies stellte gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg klar. Jetzt muß die deutsche Mineralwasserverordnung geändert werden.

Geklagt hatte ein Getränkehersteller aus dem badischen Bruchsal. Er wollte für seine „Schönborn-Quelle“ einen neuen Brunnen bohren, dessen Wasser die Behörden aber nicht als Mineralwasser anerkannten. Nach deutschem Recht hätte er entweder einen bestimmten Mineralstoffgehalt des Wassers oder gesundheitsdienliche Wirkungen nachweisen müssen. Da der neue Bruchsaler Brunnen jedoch nur wenig Mineralstoffe aufwies, wurde beim hessischen Fresenius-Institut ein ernährungsphysiologisches Gutachten angefertigt. Das bestätigte, daß das Schönborn-Wasser gesundheitsdienlich wirke, weil es wenig Natrium enthalte und damit zur Bekämpfung des Bluthochdrucks geeignet sei.

Mit dieser Argumentation wäre der Getränkehersteller in allen Bundesländern durchgekommen, nur nicht in Baden-Württemberg. Das Regierungspräsidium Karlsruhe lehnte den Bruchsaler Antrag ab. Begründung: Die gesundheitsdienliche Wirkung des Wassers müsse „aus dem positiven Gehalt“ an bestimmten Stoffen folgen, nicht aus ihrem Fehlen. Mehrere deutsche Gerichte bestätigten diese Entscheidung.

Vor dem Europäischen Gerichtshof zeigte sich aber, daß das deutsche Recht nicht mit den EU- Vorgaben übereinstimmt. Dort ist Mineralwasser nur als „bakteriologisch einwandfreies Wasser unterirdischen Ursprungs“ definiert, das eine charakteristische Eigenart und ursprüngliche Reinheit aufweise. Einen bestimmten Mineralstoffgehalt fordert die Richtlinie ebensowenig wie den Nachweis gesundheitsfördernder Wirkungen.

Die Karlsruher Prinzipientreue führt nun ironischerweise sogar zu einer Absenkung der Standards in Deutschland. Überflüssig werden dabei die teuren Gutachten, mit denen bisher belegt werden mußte, daß gerade das Fehlen von Mineralstoffen besonders gesundheitsdienlich sei. Interessant werden für die Getränkeindustrie vor allem neue Quellen in Süd-, Nord- und Ostdeutschland. Dort ist der Mineralstoffgehalt aufgrund der tektonischen Stabilität in der Regel niedriger als etwa in der vulkanischen Eifel. Auch muß nicht mehr so tief gebohrt werden wie früher.

Ein Nachteil für die VerbraucherInnen ist darin aber wohl nicht zu sehen. Wer auf Mineralstoffe besonderen Wert legt, muß eben das Etikett beachten. Schon heute gelten rund 20 Prozent der deutschen Mineralwasser als mineralstoffarm. Erst recht gilt das für importierte Durstlöscher.

In Frankreich („Volvic“) und Belgien („Spa“) stellt man sich unter „Mineralwasser“ nämlich etwas anderes vor als in Deutschland. Dort gilt ein „eau minerale“ nicht als Wasser mit hohem Mineralstoffgehalt, sondern als besonders reines Wasser, das aus unterirdischen Quellen gefördert – sozusagen „aus den Minen“ – gefördert wird. Diese Mineralwasser-Philosophie liegt auch der europäischen Richtlinie zugrunde. Christian Rath