■ Ökolumne: Medientango Von Thomas Worm
Weshalb nicht so? Die Kamera feiert das neugeborene Leben: Wachsam richtet ein Mann den Blick auf sein verletzliches Fohlen. In himmelweichen Überblendungen erleben wir das behütete Heranwachsen der Kreatur. Wie der Mann das Junge liebevoll durch den Gewitterregen trägt. Bis ein Hengst daraus geworden ist. Zum Schluß die Vogelperspektive: Mensch, Tier und große Natur vereint. Gänsehaut – Musik. Leider ist es nicht die UNO, die hier für ihren Erdgipfel wirbt, sondern Marlboro. Für Nikotin. Dabei gäbe es für das gewaltigste Programm und zugleich das sterilste Unwort des 20. Jahrhunderts – Nachhaltigkeit – viel Aufklärungsbedarf. Und zwar gefühlsbetont. Nur jede/r zehnte Deutsche will das Wort schon mal gehört haben, und vielleicht jeder hundertste weiß, daß die Nachhaltigkeits-Beschlüsse der UNO auf eine Aussöhnung von Sozialpolitik, Wirtschaft und Ökologie zielen, damit die Lebensgrundlagen der Menschheit auf Dauer erhalten bleiben.
Statt dessen haben wir teil am glorreichen Wandel. Jede Woche gibt McDonalds hierzulande 2,64 Millionen Mark aus, um seine naturfressenden Proteine schmackhaft zu machen. Neben Dschungelburgern inzwischen auch Mangrovenkiller: Shrimps. Unappetitliche Signale gegen das UN-Nachhaltigkeitsprogramm. Wieso eigentlich kein Werbebombardement für sauberen Lifestyle? Nun, dank weit über einer halben Milliarde Mark, die der Waschmittelgigant Procter & Gamble allein in Deutschland Jahr für Jahr in die Reklame pumpt, wissen wir über die Saugfähigkeit von Pampers mehr als über das Korallensterben, drückt das schlechte Gewissen der Lenor-Frau stärker als die Ausrottung des sibirischen Schneetigers.
Während die Multis seit Jahrzehnten mit immer größeren Summen in Werbung und PR wuchern, macht es die UNO genau umgekehrt. Der Anteil für Public Relations am Gesamtetat ist seit Gründung der Organisation um über die Hälfte geschrumpft. Im UN- Topf für Öffentlichkeitsarbeit stecken nicht mal 20 Millionen Dollar pro Jahr. Zum Vergleich: Opel Deutschland gibt zehnmal soviel für Werbung aus.
Wir haben verstanden: Wer die Medien beherrscht, gebietet über den Inhalt der Köpfe. In einer Zeit, da die toten Seelen aus Fernsehserien lebendiger scheinen als die eigene Familie, leisten sich die UN-Vertreter den Luxus einer PR-Strategie des 19. Jahrhunderts: gar keine. Aktive Informations- und Imagepolitik seitens der UNO existiert nicht.
Eine leidenschaftliche Bürokratie, die sich um die eigene Achse dreht? Mit der einsamen Melancholie von Tangotänzern in einem Lokal ohne Publikum? Der letzte Tango?
Nicht ganz. Die Vereinten Nationen stellen jetzt auch Dokumente über eine prämierte und oft genutzte Internet-Homepage zur Verfügung, und die UN-Außenstellen werden mit der Zentraldatenbank vernetzt. Wichtig, unbestritten. Nur sind das eben keine breitangelegten und idiotensicheren Medienbotschaften, die Manuel Rodríguez auf den Philippinen verklickern, daß Dynamitfischen jene marine Nahrungskette kaputtmacht, die ihn dauerhaft ernähren könnte,oder Gerhard Schröder, daß man Autos nicht essen kann.
Nun läßt sich einwenden, die Regierenden hätten keinerlei Interesse an einer offensiven PR-Politik der UNO. Denn sonst würden sie ja auf peinliche Weise mit ihren eigenen, folgenlosen Versprechen konfrontiert, wie denen vom Erdgipfel 1992 in Rio. Wenn dem wirklich so ist, bleibt ohnehin jeder UN-Beschluß eine Farce. Wenn aber ein einflußreiches Mandat letztlich doch gewünscht wird, benötigt die UNO eine zeitgemäße Massenkommunikation.
Und das Geld dafür? Abgaben auf Flugbenzin oder die Devisenspekulation, wie von den regierungsunabhängigen Organisationen vorgeschlagen, könnten der UNO eine munter sprudelnde, unabhängige Geldquelle verschaffen. Damit wäre die Völkervertretung auch nicht mehr durch ein paar zahlungsunwillige US- Senatoren erpreßbar.
Dann wäre es ein leichtes, unter den erfolgreichsten Werbeagenturen dieser Welt den Preis für eine Medienkampagne von globalem Charme auszuloben – Verführung zur Planetenliebe. Warum nicht auch mit Videoclips, die Sustainability so bekannt machen wie das Evangelium und so beliebt wie Disneyland?
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