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Wortgefechte zwischen Moskau und Minsk

■ Rußland und Weißrußland streiten weiter über verhaftete Journalisten

Moskau/Minsk (AP/AFP) – Zwischen Rußland und Weißrußland stehen die Zeichen auf Sturm. Gestern sagte Weißrußlands Staatspräsident Alexander Lukaschenko einen geplanten zweitägigen Besuch in Kaliningrad ab, nachdem ihn der dortige Gouverneur, Leonid Gorbenko kurzerhand ausgeladen hatte.

Anlaß für den Konflikt ist die Verhaftung zweier Journalisten des russischen Fernsehsenders ORT. Pawel Scheremet und Dmitry Zawadsky waren in der vergangenen Woche festgenommen worden, als sie im weißrussisch-litauischen Grenzgebiet drehten. Ihnen wird illegaler Grenzübertritt vorgeworfen. Darauf steht eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren. Zudem wird gegen Scheremet, dem Lukaschenko vorwirft, für einen ausländischen Geheimdienst zu arbeiten, wegen Spionage ermittelt.

In ungewöhnlich scharfer Form hatte der russische Präsident Boris Jelzin gegen die Festnahmen protestiert und gedroht, den Unionsvertrag vom April zu überdenken, in dem die Wahrung der Presse- und anderer Grundfreiheiten festgeschrieben ist.

Gestern wurden 6 von 15 Journalisten, die am Donnerstag in Minsk gegen die Verhaftung ihrer Kollegen demonstriert hatten, zu Geldstrafen von je 330 Mark verurteilt. Ein Gericht verurteilte sie wegen Verletzung eines Präsidentendekrets, das unerlaubte Demonstrationen in der Nähe von Regierungsgebäuden unter Strafe stellt. Die übrigen neun Journalisten wurden verwarnt.

Lukaschenko warf Moskau gestern vor, den Unionsvertrag zu verletzen. Nach Auffassung der weißrussischen Präsidentschaft steht der „Versuch, Druck auf Weißrußland auszuüben, in direktem Widerspruch zu den Normen des Völkerrechts“. Jelzin sagte, Lukaschenko habe überreagiert, weil er jung sei und „Kritik nicht gut vertragen“ könne. Er äußerte die Hoffnung, daß der Vorfall um die Journalisten die Beziehungen zwischen den Staaten nicht ernsthaft beeinträchtigen werde. Die unabhängige Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch/ Helsinki“ in New York warf Lukaschenko vor, fast alle Erfolge im Bereich der Menschenrechte und der Rechtssicherheit aus der Zeit der Perestroika rückgängig gemacht zu haben. Regierungsunabhängige Organisationen, unabhängige und vor allem die russischen Medien würden stark unter Druck gesetzt. Kommentar Seite 10

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