: Ver-rücktes Wetter
■ Sind ungewöhnliche Dürren und Fluten erste Anzeichen für die drohende Klimakatastrophe? Klimaforscher streiten darüber, ob die globale Erwärmung hausgemacht ist. Von Matthias Urbach
Ver-rücktes Wetter
Den Brandenburgern steht das Oderwasser bis zu den Haarspitzen. Während sich viele von ihnen jetzt fragen, ob die Jahrhundertflut schon ein Vorbote der drohenden Klimakatastrophe ist, stellen Sonnenforscher mittlerweile das ganze Modell vom hausgemachten Treibhauseffekt in Frage. „Die globale Temperaturerhöhung, die wir bislang erleben, wird hauptsächlich von der Sonne ausgelöst; der Einfluß von CO2 dagegen ist viel kleiner als bisher angenommen.“ Mit solchen Sätzen nerven die dänischen Forscher Henrik Svensmark und Eigil Friis-Christensen die Klimaforscher – und machen die Verwirrung perfekt: Ist der Treibhauseffekt nur ein Hirngespinst?
Die Solarphysiker des Dänischen Meteorologischen Instituts in Kopenhagen sind die Kronzeugen im neuen Buch „The Manic Sun“ des britischen Wissenschaftsjournalisten Nigel Calder. Im Herbst, rechtzeitig vor dem Klimagipfel der Regierungschefs im japanischen Kioto, wird es auf deutsch erscheinen – im Böttiger Verlag. Die Theorie des Treibhauseffekts sei falsch, schreibt Calder, aufgestellt von Wissenschaftlern, die sich durch Politiker korrumpieren ließen. Das überzeugte auch den Öko-Optimisten Dirk Maxeiner. Der titelte vergangene Woche in der Zeit: „Den Meteorologen ist die Katastrophe abhanden gekommen.“ Und weiter: „Nigel Calder bringt es auf den Punkt: Die These vom Treibhauseffekt (...) liegt in ihren Todeszügen.“
Svensmark beruft sich auf eine „aufregende“ Übereinstimmung zwischen dem Anstieg der globalen Temperatur und der Dauer der 10- bis 12jährigen Sonnenzyklen. Deren Länge schwankt nämlich beträchtlich – je kürzer der Zyklus, desto wärmer die Luft. Offenbar rege der Sonnenwind die Wolkenbildung an, wirke so aufs Klima. Wie das genau funktioniert, kann er nicht erklären. „Die mikrophysikalischen Details sind unbekannt“, gibt Svensmark zu.
Hartmut Graßl, Leiter des UN- Weltklimaprogramms in Genf, ist das nicht genug: „Die Sonne ist nur ein Einflußfaktor“, schimpft der Klimaexperte, „aus der Zeit sind wir längst heraus, als man nur einen Punkt herausgriff und den untersuchte.“ Die heutigen Klimamodelle berücksichtigen neben CO2 auch andere Schadstoffe, wie Sulfat-Teilchen, dazu das Wechselspiel der Atmosphäre mit Ozeanen, Gletschern und Polkappen. Die Berechnung der Wärme-, Luft- und Wasserströme beschäftigt selbst schnellste Superrechner wochenlang. Die Dänen, urteilt Graßl, „sonnen sich im Außenseitertum“.
Dabei gibt es in der Klimaforschung eine weltweit einmalige Situation: Vor neun Jahren gründete die UNO das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – an seinen Berichten zum Treibhauseffekt, seinen Folgen und Gegenmaßnahmen haben über 2.000 Experten mitgewirkt. Nie zuvor wurde so gründlich um eine wissenschaftliche Aussage gerungen. Ihr Urteil: Bei anhaltendem Wachstum des CO2-Ausstoßes werde sich die Atmosphäre bis 2100 im Mittel um zwei Grad aufheizen, die Meere um einen halben Meter steigen. Der Bericht widmet sich auch den Dänen: Die Schwankung des Sonnenlichts sei so klein, daß sie gegenüber dem Treibhauseffekt vernachlässigbar sei.
Doch auch andere Wissenschaftler glauben, daß die Sonnenzyklen unterschätzt werden: Die Berliner Meteorologin Karin Labitzke entdeckte, daß mit den Sonnenzyklen auch Luftdruck und Temperatur in den oberen Luftschichten (Stratosphäre) schwanken. Labitzke vermutet, daß der UV-Anteil der Sonnenstrahlen stärker schwankt als der Rest. Das könnte die Ozonbildung über den Tropen entscheidend verändern – und damit das Klima. Der Effekt sei physikalisch noch nicht endgültig geklärt, schränkt sie ein. Doch am Londoner Imperial College habe sich der Effekt bereits am Computer modellieren lassen.
Labitzke ist vorsichtiger als die Dänen, auch wenn sie deren Arbeit schätzt: „Ich will den Treibhauseffekt nicht vom Tisch wischen“, sagt die Meteorologin. Die Sonne erkläre nur die Hälfte des Temperaturanstiegs in den vergangenen hundert Jahren von einem halben Grad. „Im nächsten Jahrhundert wird der Treibhauseffekt wichtiger werden.“
Für viele Klimamodellierer ist das mit dem Zwölfjahreszyklus der Sonne eine halbseidene Sache. Ulrich Cubasch vom Hamburger Max-Planck-Institut (MPI) für Meteorologie erklärt das so: „Mit dem Zyklus wurde schon alles mögliche in Verbindung gebracht, bis hin zur Geburtenrate.“ Ohne eine physikalische Erklärung kann aber jede Übereinstimmung rein zufällig sein. Berühmtes Lehrbeispiel: Die Zahl der Babys sank lange Zeit im Einklang mit der Zahl der Störche. Werden die Babys also vom Storch gebracht?
Beim UV-Effekt Labitzkes, sagt Cubasch, „sind sich nicht mal die Sonnenforscher einig“. Dagegen läßt sich der Treibhauseffekt in jedem Labor nachvollziehen: CO2 läßt die Sonnenstrahlung durch, die Wärmestrahlung der Erde aber nicht komplett zurück ins All, eben wie Treibhausglas. Das ist eine Tatsache. Trotzdem sieht es so aus, als müßten die Forscher künftig etwas mehr auf die Sonne achten: Cubasch speiste neue Daten über die Sonnenstrahlen in sein Klimamodell ein. Sein frisch veröffentlichtes Ergebnis sieht den Sonneneinfluß stärker als der IPCC-Bericht. „Das kann 20 bis 30 Prozent der bisherigen Erwärmung erklären.“ Mehr aber nicht. Für Cubasch kein Grund zur Entwarnung, im Gegenteil: „Sonnenschwankung und Treibhauseffekt gehen in die gleiche Richtung, das ist das Schlimme.“
Labitzke und Svensmark müssen erst noch beweisen, daß an ihren Thesen etwas dran ist. Calder und Maxeiner benutzen deren Ergebnisse voreilig und ziehen einen falschen Schluß. Der Treibhauseffekt wird durch die „Launen der Sonne“ leider nicht verschwinden. Für Graßl ist es typisch, daß vor dem Klimagipfel Zweifel gesät werden: „Das Buch soll verwirren.“ Tatsächlich sind im Böttiger Verlag schon Bücher erschienen wie „Klimakatastrophe oder Massenpsychose“ von Gerd Weber oder „Ozon – das mißbrauchte Naturwunder“ von Schauerhammer. Auf Anfrage erklärt Geschäftsführer Helmut Böttiger: „Wir halten sehr wenig von Ökolügen.“ Die UNO habe den Treibhauseffekt nur erfunden, „die will die Weltwirtschaft kontrollieren“. Denn nur scheinbar sei die UNO ein Gremium der Völkergemeinschaft, in Wirklichkeit diene es den „Finanzinteressen wie die Wall Street“.
Daß das Buch bei Böttiger erscheint, ist der seriösen Meteorologin Labitzke unangenehm. Und auf Nachfrage bleibt selbst Calders Kronzeuge Svensmark vorsichtig: „Ich würde nicht sagen, daß CO2 keinen Effekt haben wird.“
Kommentar Seite 10
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