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■ KommentarDogma statt Vernunft

Die Unterbringung von AsylbewerberInnen und Flüchtlingen in Wohnheimen ist für Sozialämter und den Senat extrem teuer. Das Beispiel der siebenköpfigen Familie in Steglitz hat dies wieder einmal verdeutlicht. Der durchschnittliche Tagessatz für die Heimunterbringung beträgt pro Kopf in Berlin derzeit 23,50 Mark. Dabei ist die Ausstattung der Heime äußerst dürftig: einem Erwachsenen stehen per Gesetz nur sechs Quadratmeter Wohnraum und Gemeinschaftsräume zur Mitbenutzung zur Verfügung. Kinder bekommen nur vier Quadratmeter zugesprochen. Gewinner sind allenfalls die privaten Heimbetreiber, die die horrenden Tagessätze abkassieren: Je mehr Menschen in ein Heim gepfercht werden, um so mehr Geld verdienen sie.

Die Senatsverwaltung für Soziales akzeptiert die immensen Kosten, denn die Heimunterbringung ist wie der Zwangseinkauf in zentralen Magazinläden ein wichtiger Bestandteil ihrer Politik: AsylbewerberInnen sollen nicht in die Gesellschaft integriert werden. Wer erst einmal in einer Wohnung lebe, habe keine Motivation mehr, ins Heimatland zurückzukehren. Deshalb kommt es dem Senat trotz Haushaltsmisere nicht auf die „fiskalischen Aspekte“ an: Höhere Summen würden sich langfristig „auszahlen“, weil durch Abschreckung das deutsche Flüchtlingssystem nicht mehr als besonders attraktiv angesehen und der „Zustrom“ der Flüchtlinge abnehmen werde.

Deutschland ist nach dem Dogma der Politik eben trotz gegenteiliger Fakten immer noch kein Einwanderungsland. Das zeigt sich auch im einzigen Sparvorschlag der Verwaltung. Vorrang für Wohnungen könne es nur für eine bestimmte Gruppe geben: für die 3.800 Aussiedler, die auch in Heimen leben. Die nämlich haben „Priorität“: Weil sie Deutsche seien und „ohne Punkt und Komma“ integriert werden müssen. Julia Naumann

Bericht Seite 23

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