: Virtueller Wahlfang
„Hübsches Design, wenig Inhalt“: Wie Hamburgs Parteien im Internet zur Wahl locken ■ Von Gerd Roth
Im Ringen um ein modernes Image setzen auch Hamburgs Parteistrategen auf Innovation und Zeitgeist. Was politisch Rang oder Namen hat, surft im Internet, um dort auf Stimmen-Wahlfang zu gehen. Bisher noch ohne Konterfei ihres Spitzenkandidaten Henning Voscherau lockt etwa die regierende SPD (http://www.SPD-Hamburg. de) auf ihre Homepages. In 13 Sparten finden sich dort Informationen über Wahlprogramm, Termine oder Redetexte.
Sehr offen geben sich die SozialdemokratInnen in ihrem virtuellen Gästebuch. „Hübsches Design, wenig Inhalt – ganz Hamburger SPD“, vermerkte hier zum Beispiel Web-Besucher Matthias Kolbeck per e-mail. Sein Name findet sich beim Surfen durch die Parteienlandschaft wieder: Im Impressum der GAL-Homepage.
Nur wenige dieser Notizen löscht Nico Lumma, der SPD-Internet-Seiten-Experte. Etwa wenn die Genossen als „echt das allerletzte, was der Herrgott auf der Welt abgeladen hat“angegriffen werden. Natürlich gibt es auch Lob für die SPD-Pages. „Guter Anfang!“ist da zu lesen. Auch Voscherau e-mailte ein „Toll“an die Hamburger Parteizentrale. „Wer die Zukunft und die Jugend gewinnen will, muß ins Internet“, schrieb er.
Als einzige Partei bietet die SPD BesucherInnen auch einen Zugang zur Konkurrenz. So können Internet-Surfer etwa zur CDU wechseln (http://ourworld.compuserve.com/homepages/CDUHamburg/). Eine krakenhafte Grafik weist dort zum Beispiel auf die Rubrik „Ich bin für Ole“hin. Viele Seiten sind jedoch gänzlich leer. „Wir sind noch im Aufbau“, meint CDU-Geschäftsführer Wulf Brocke. Zumindest aber die Seite über Geldnöte der Partei und Spendenaufrufe ist vollständig.
Nicht immer auf der Höhe der eigenen Zeit befindet sich die GAL (http://www.Hamburg.Gruene.de/). Auf der mit Sonnenblumen verzierten Empfangsseite stehen auch schon mal längst vergangene Termine der Spitzenkandidatin Krista Sager. Die Begründung liefern die GAL-Computerfreaks gleich mit. „Der Aufwand für den Aufbau dieser Seiten ist begrenzt durch die Zeit, die wir für direkte politische Aktionen brauchen.“Ein Baustellenschild weist dann auf den Arbeitsbedarf hin.
Der direkte Kontakt zur Wählerin steht auch bei der GAL ganz vorn: Viele LandesvorständlerInnen oder Fraktionsmitglieder lassen sich per Maus-Klick und e-Mail direkt anschreiben. Und in den „GAL-Argumenten zur Wahl“erfahren wißbegierige Surfer dann noch von der Bibeltreue der Grünen: Bei Ladendiebstahl solle „das Gebot 'Du sollst nicht stehlen' auch in Zukunft gelten“.
Mit umfangreichem Internet-Angebot warten auch die kleinen Parteien auf. Bei der Statt-Partei (http://www.statt-partei.de/) finden sich neben dem blinkenden Porträt von Spitzenmann Jürgen Hunke die Ergebnisse sämtlicher Bundestags- und Bürgerschaftswahlen seit 1945. Bei der FDP (http://www.liberale.de/fdp/lv/hamburg/) begrüßt ein lachender Spitzenkandidat Frank-Michael Wiegand die Web-Besucher. „Das aktuelle Thema“mit „liberalen Pointierungen“ist zwar noch in Vorbereitung, doch dafür gibt's auf den blau-gelben Seiten einen kommentierten Terminkalender: „Zu dieser interessanten Veranstaltung braucht man nicht mehr viel Worte zu verlieren.“
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