: Ein Kampf gegen Windmühlenflügel
Das deutsch-türkische Fernsehprojekt Aypa-TV beklagt Wettbewerbsverzerrungen unter türkischen Fernsehanbietern. Hohe Gebühren machen kleinen Anbietern das Leben schwer ■ Von Dorothee Winden
Der deutsch-türkische Fernsehsender Aypa-TV kämpft ums Überleben. Die Betreiber Claudia Dantschke und Ali Yildirim, die das Projekt seit vier Jahren zu zweit am Leben erhalten, machen dafür die zu hohen Sendegebühren und die Wettbewerbsverzerrungen unter den türkischen Anbietern verantwortlich.
Während Aypa-TV seit vier Jahren eine Stunde auf dem „Spreekanal“ sendet, hat der Konkurrenzsender TD1 eine Monopolstellung. Der Betrieb des 24-Stunden-Programms auf dem Kabelkanal E3 kann viel kostengünstiger abgewickelt werden als eine Sendung auf dem Mischkanal, der auch über Kabel zu empfangen ist. Die Diskrepanz ist eklatant: Aypa-TV zahlt pro Sendestunde 194 Mark, TD1 für die gleiche Sendezeit nur 9 Mark. TD1 kann daher deutlich preisgünstigere Werbepreise anbieten. „Wo ist hier die Chancengleichheit?“ fragt Claudia Dantschke, die ihren Job als Redakteurin, Kamerafrau und Cutterin ehrenamtlich macht. Ihr Kollege Yildirim arbeitet vormittags als Gerichtsdolmetscher und nachmittags als Geschäftsführer und Redakteur.
Für die bündnisgrüne Medienexpertin Alice Ströver sind die unterschiedlichen Produktionskosten das Ergebnis einer verfehlten Medienpolitik. Die Gebühren des Mischkanals hält sie für „deutlich überhöht“. Das liege an der Monopolstellung der Mediaport GmbH, die den Sendebetrieb für die derzeit 40 Kleinanbieter abwickelt. Dies wiederum hat der Senat zu verantworten, der die mit dem „Kabelgroschen“ finanzierte Sendezentrale in den 80er Jahren privatisierte. Als einziger Anbieter kann die Mediaport die Gebühren diktieren, einer Preiskontrolle unterliegt die Privatfirma nicht.
Weil Aypa mit den Zahlungen erheblich im Rückstand ist, hat die Mediaport GmbH ein Ultimatum gesetzt. Wenn Aypa-TV einen Vertrag über die Sendegebühren nicht bis zum 15. August unterzeichnet, stellt die Mediaport GmbH die Ausstrahlung der Sendung vorerst ein. Zudem sollen bis Ende August die offenen Rechnungen beglichen werden — sonst wird künftig nur noch gegen Vorauskasse gesendet. Aypa-TV fordert dagegen eine weitere Verringerung der Sendegebühren. Erst zum 1. Januar 1997 war ein Rabattmodell eingeführt worden, das die Sendekosten um ein Drittel verringerte. Doch wegen des ungleichen Wettbewerbs mit TD1 möchte Aypa-TV den Preis noch weiter herunterhandeln. Das schließt der Geschäftsführer von Mediaport, Hans-Peter Scholz, jedoch definitiv aus: „Wir haben sehr viel Sympathie für Aypa-TV. Aber eine weitere Gebührensenkung ist nicht drin.“ Das würde „an die Substanz gehen“.
„Ein Mischkanal wie der Spreekanal ist immer teurer“, sagt Ingeborg Ludwig, Justiziarin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Die knapp 40 Anbieter liefern drei unterschiedliche Kassettentypen an, die von Technikern eingepegelt werden müssen. Dazu kommt die Koordination der Sendezeiten. Die Wünsche der Anbieter aufeinander abzustimmen ist nicht immer einfach. In der abendlichen Prime time möchte schließlich jeder senden. Ludwig stellt fest: „Wenn der Mischkanal nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann, d.h. die Anbieter die Kosten nicht über Werbeeinnahmen finanzieren können, dann muß er eben eingestellt werden.“ Das Behindertenfernsehen und Hellas-TV mußten bereits aufgeben, weil sie die Kosten nicht mehr aufbringen konnten.
Mitverantwortlich für die wettbewerbsverzerrende Situation ist auch die Medienanstalt, die TD1 den gesamten E3-Kanal überließ. Ein Fehler, wie die grüne Abgeordnete Alice Ströver meint. Laut Gesetz müsse die Medienanstalt bei der Vergabe von Sendelizenzen darauf achten, daß eine pluralistische Medienlandschaft entsteht. Statt dessen erhielt einer der türkischen Sender das Privileg des Vollprogramms. Ströver sieht den Senat in der Pflicht: „Es muß gewährleistet sein, daß auch kleine Anbieter überleben können.“ Diese haben ohnehin schon den Nachteil, daß sie nicht nachweisen, wie viele der 1,3 Millionen verkabelten Berliner ihre Sendung tatsächlich sehen — ein Hindernis für die Akquise von Werbespots.
Aypa-TV kämpft unterdessen weiter gegen Windmühlenflügel. Einen anderen Ausweg als eine Gebührensenkung sehen Dantschke und Yildirim nicht. Im Offenen Kanal könnten sie zwar umsonst senden, doch der Abstieg in die TV-„Amateurliga“ kommt für sie nicht in Frage. Zudem gibt es dort keine festen Sendezeiten, ihr Programm wäre für Zuschauer nur schwer zu finden. Als „unakzeptabel“ bezeichnen sie auch den Vorschlag von Mediaport Geschäftsführer Scholz, daß Aypa-TV seine Sendzeit mit einem anderen türkischen Anbieter teilen könnte. Ein Interessent wäre mit Yol-TV schon gefunden. Doch wer schaltet schon wegen einer halbstündigen Sendung den Fernseher ein? Claudia Dantschke befürchtet: „Dann wäre Aypa-TV völlig unattraktiv.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen