: Morgenröte in Teheran
■ Chatami muß jetzt Reformfähigkeit beweisen
Annemarie Schimmel hat ein Gespür für den günstigen Moment. Ihr Appell an die iranische Führung für Faradsch Sarkuhi könnte dem Schriftsteller tatsächlich helfen. Er hat Aussicht auf Erfolg, weil sich Irans neuer Präsident Chatami und sein Minister für Kultur und Islamische Führung, Mohadscherani, zu Anwälten der Intellektuellen gemacht haben. Daß das von Chatamis Gegnern dominierte Parlamament dessen Kabinett absegnete, zeigt, daß Irans Konservative begriffen haben, daß sie Chatami nicht auflaufen lassen können. Dafür sind die Erwartungen seiner WählerInnen zu groß.
Chatamis Kabinett zeigt aber auch, was von der Regierung nicht zu erwarten ist: eine Abkehr von den Prinzipien der Islamischen Republik. „Jeder, der die Islamische Republik und ihre Verfassung akzeptiert, muß Toleranz erfahren“, erklärte Mohadscherani. Im Umkehrschluß heißt das: Wer ein anderes System bevorzugt als das der theokratischen Statthalterschaft der Rechtsgelehrten, muß weiter mit Verfolgung rechnen.
Chatamis Regierungsmannschaft spiegelt dessen Drahtseilakt wider, zwischen eigenen Forderungen nach Liberalisierung und den Begehrlichkeiten seiner Gegner. Die Berufung Mohadscheranis ist Signal in die erste Richtung, der Verzicht auf Ministerinnen in die zweite.
Doch aus diesem „Gleichgewicht der Kräfte“ folgt nicht automatisch eine Blockade. Bisher sendet die neue iranische Regierung Signale nach außen, die für eine vorsichtige Liberalisierung sprechen – selbst der als Mann der Konservativen geltende neue Geheimdienstminister Nadschafabadi. Der Mykonos-Prozeß sei für die iranische Regierung „tot“, erklärte der Nachfolger des wegen des Mordanschlags in Deutschland mit Haftbefehl gesuchten Ali Fallahian. Er hoffe, „daß die Beziehungen zu Bonn sich bald wieder verbessern“. Viel deutlicher kann man den Wunsch, ein Kapitel zu beenden, kaum formulieren. Jetzt ist es am Bundesaußenminister, zu reagieren. Er könnte sich ein Beispiel an Annemarie Schimmel nehmen. Eine durchdachte deutsche Iranpolitik, die sich nicht ausschließlich an Geschäftsinteressen orientiert, könnte helfen, die Verhältnisse in der Islamischen Republik zu verbessern – dem Ruf des Bundesaußenministers täte sie allemal gut. Thomas Dreger
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