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Wand und BodenFetisch aus dem OP

■ Kunst in Berlin: Kolk/Mohr, Frémy

Im Hackeschen Hof III riecht es stark nach Firnis, aber das kommt offenbar aus der Galerie Leo.Coppi. Im Flachbau der Galerie Arndt & Partner merkt man den Duft nicht mehr, denn die beiden „Storytellers“ Douglas Kolk und Max Mohr arbeiten mit minimalistischen Installationen. Kolk hat eine Landschaft wie eine Arabeske auf die Wand aufgetragen. Dabei ziehen sich skizzenhaft als blaue Linie einige Meter gezeichneter Schotter und Geröll hin, bevor das Ganze sich in der Ecke rechts zu einem futuristischen Laborgebilde bündelt, nur um dann wieder auseinanderzudriften. Das Motiv ist karg, das Panorama extrem zurückgenommen. Auch die püppchenartigen Köpfe an der Wand gegenüber schimmern nur vorsichtig aus dem grün markierten Hintergrund hervor. Die starrenden Augen erinnern an die Science- fiction-Kinder aus dem britischen Horrorfilm „Village of the Dammed“, ihre Melancholie könnte aber auch zu Engeln passen. In jedem Fall bleibt die Identität der Figuren ungeklärt, und die Gesichter scheinen wie abstrakte Flächen zu entschweben. Max Mohr nennt seine von Gebrauchsgegenständen abgeformten Skulpturen „Objekte der Begierde“ und meint Fetischismus. Dafür benutzt er Stoffe wie Prothesenmaterial, Mullbinden und Synthetik, mit denen er Modelle von Windkanälen nachbaut, improvisierte Leuchttische gestaltet oder ein funktionstüchtiges Theremin verhüllt. Es ist eine seltsame Welt aus pastellfarbenen Dingen. Vielleicht macht aber gerade diese nostalgische Note das Ensemble noch ein wenig sperriger, unzugänglicher und damit vom eigenen Begehren abgetrennter. So stehen Mohrs „Operators“ für exotisches Design, das mit dem medizinischen Apparat verkoppelt bleibt.

„2.4yoo2.4mee“, bis 17.9., Di.–Sa. 14–19 Uhr, Rosenthaler Straße 40/41

Der Container der Kunst- Werke ist wieder ein Stückchen weitergewandert. Jetzt steht er vor dem „Café Strandbad“ in der Auguststraße. Drinnen hängen ein paar spärliche Fotokopien von Anne Frémy, die eher Fanzine-Charakter haben, aber das Feld von Urbanismus und Stadtplanung recht plausibel umreißen. Die französische Künstlerin dokumentiert allerlei Zugänge zur Architektur, indem sie auf deren unterschiedliche Darstellungsebenen rekurriert. Eine Reihe zeigt Architekten vom jungen Philip Johnson bis zum gereiften Walter Gropius mit ihren prämierten Modellen, dazwischen Aufnahmen von Gary Cooper, der 1949 in „Fountainhead“ Frank Lloyd Wright spielte. Kein Zweifel, der Architekt ist der Star der Moderne.

Um so betrüblicher stehen diesen Lichtgestalten die Modelle sozialistischer Bauten aus den siebziger Jahren gegenüber, die Frémy monochrom eingefärbt hat. Das macht die Häuserzeilen ziemlich flach, die geometrische Gliederung der Gebäudekomplexe zerfällt in lauter Winkel, Streifen und Rechtecke, deren übertrieben strukturierte Konturen kaum noch an Wohnraum erinnern – der Triumph gebauter Utopien, die totale Ordnung kippt ins Diffuse um. Daneben hat Frémy noch ein Plakat mit Werbefotos aus einem Standardkatalog für Fertighäuser zusammengestellt. Es mag zwar den privaten Raum als immer gleiches Konstrukt entlarven, sehr viel anschaulicher ist jedoch ihr Architekturbild als Engführung von Produkt und Produzent. Nur die Investoren fehlen.

Bis 3.9., Do.–Sa. 14–17 Uhr

Harald Fricke

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