: Serbische Generäle drohen Biljana Plavšić
Der Generalstab der bosnischen Serben schlägt sich auf die Seite des Kriegsverbrechers Karadžić ■ Von Karl Gersuny
Wien (taz) – Im wochenlangen Machtkampf in der Führung der bosnischen Serben hat gestern erstmals die Armee zugunsten der Clique um den als Kriegsverbrecher gesuchten Serbenführer Radovan Karadžić eingegriffen. In einer kurzen, aber scharfen Presseerklärung, die gestern die Nachrichtenagentur SRNA verbreitete, informierte General Pero Colić die Bevölkerung, die Armee werde nicht tatenlos zusehen, „wie feindliche Kräfte die Zerschlagung der Serbenrepublik vorantreiben“.
Ohne die kämpferische Präsidentin Biljana Plavšić beim Namen zu nennen, heißt es in der Erklärung des Oberkommandierenden der bosnisch-serbischen Streitkräfte: „Sollten einzelne Akteure der Krise den Staat weiterhin destabilisieren, wird die Armee im Einklang mit der Verfassung und ihrer moralischen Verpflichtung Maßnahmen zum Schutz der Integrität und Souveranität ergreifen.“
Die Drohung ist wortgleich in einem Brief des Generalstabs an die multinationale SFOR-Truppe enthalten. Diese hatte in den vergangenen Tagen im nordbosnischen Banja Luka fünf Polizeigebäude unter ihre Kontrolle gebracht und damit auf Seiten Plavšićs in den Konflikt eingegriffen.
Anlaß zur Sorge geben vor allem zwei Zusätze in dem Armee- Papier. Darin kündigt Colić an, „künftig nicht mehr zu warnen“, und alles in seiner Kraft stehende zu unternehmen, um Pläne zu vereiteln, „einen bosnischen Einheitsstaat zu schaffen“. Damit gibt die Armeespitze öffentlich zu, daß sie den jungen Staat Bosnien-Herzegowina nicht länger staatliche Einheit anerkennt.
Wann und ob serbische Truppen in der Hochburg der Karadžić- Gegner, in Banja Luka, aufmarschieren werden, um aus ihrer Sicht wieder Ruhe und Ordnung herzustellen, war gestern völlig offen. Augenzeugenberichten zufolge herrschte in der nordwestbosnischen Großstadt allerdings „gespannte Nervosität“. Der lokale Rundfunksender Nezavisna berichtete, britische und tschechische Nato-Soldaten hätten ihrerseits Vorbereitungen getroffen, um „die öffentliche Ordnung vor militärischen Provokationen zu schützen“.
Kühn und problematisch zugleich ist dabei allerdings das Verhalten des Westens: Die etwa 30.000 Mann starke Friedenstruppe von UNO und Nato hat sich schon so tief in den innerserbischen Konflikt hineinziehen lassen und einseitig für die Plavšić-Fraktion Partei ergriffen, daß ein Zurückweichen kaum mehr möglich ist. Gestern sickerte sogar an die Öffentlichkeit, daß Briten und US- Amerikaner in Banja Luka mit der Ausbildung einer neuen Eliteeinheit der bosnisch-serbischen Polizei begonnen hätten, die die bisherigen Sicherheitskräfte, die noch immer unter der Kontrolle von Karadžić stehen, ablösen soll.
Im politischen Machtzentrum der Karadžić-treuen Serben, in Pale bei Sarajevo, kommt diese Unterstützung für Plavšić einer „subtilen Kriegserklärung“ gleich. TV- Pale stimmt die Bevölkerung seit Tagen darauf ein, „der Nato- Einmischung die Stirn zu bieten“. Gefährlich dabei ist, daß die Regierung in Belgrad sich immermehr auf die Seite von Pale schlägt und auch in Restjugoslawien die Stimmung gegen die westlichen Bosnien-Vermittler immer aggressiver wird. Das weiß auch die bosnisch-serbische Militärspitze, und General Colić setzt darauf, daß die jugoslawische Volksarmee bei einer Zuspitzung der Lage der bosnisch-serbischen Bruderarmee zu Hilfe eilt.
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