piwik no script img

Keine Friedensbusse nach Diyarbakir

Die TeilnehmerInnen des „Friedenszuges Musa Anter“, die mit Bussen ins kurdische Diyarbakir reisen wollten, wurden vom Militär gestoppt. Alle Demonstrationen wurden verboten  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Mit Razzien, Festnahmen und Straßenblockaden hat der türkische Staat gestern eine Kundgebung der Teilnehmer des sogenannten „Friedenszuges Musa Anter“ im kurdischen Diyarbakir zu verhindern versucht. Die Friedensfreunde, unter ihnen internationale Delegationen und türkische Prominenz, wurden als PKK-Sympathisanten diffamiert und entsprechend behandelt. Die Hoffnung auf einen Sonderzug, der europäische Friedensfreunde nach Diyarbakir bringen sollte, war auf Betreiben des türkischen Außenministeriums bereits im Vorfeld zerstört worden. So hatte der deutsche Innenminister Manfred Kanther unter dem Jubel türkischer Politiker die Durchfahrt des Zuges durch Deutschland verhindert. Den Organisatoren blieb nichts anderes übrig, als Flüge nach Istanbul und per Bus die Weiterfahrt nach Diyarbakir zu organisieren.

Die Gruppe, darunter zahlreiche ausländische Politiker, Gewerkschafter und Menschenrechtler, wurde in der Stadt Urfa an der Weiterfahrt nach Diyarbakir gehindert, wo sie am Antikriegstag für den Frieden werben wollte. 250 Bewohner von Urfa, die sich zur Begrüßung des Konvois versammelten, wurden festgenommen. Die Gruppe „Appell von Hannover“, Organisatorin des „Friedenszuges“, berichtete von Schüssen auf die Menge. Teilnehmer der Reise hätten die Befürchtung geäußert, daß es Tote gegeben habe.

Die Gruppe, darunter auch annähernd 100 Deutsche, sei auf einem Militärgelände festgesetzt worden. Ihnen sei mitgeteilt worden, daß sie sich auf keinen Fall in Richtung Diyarbakir und auf unbestimmte Zeit auch in keine andere Richtung bewegen dürften, erklärte die Organisation.

Auch zahlreiche Funktionäre der kurdischen Hadep und Gewerkschaftsvertreter, die in Diyarbakir den Empfang der Friedensdemonstration vorbereiteten, waren festgenommen worden. Die Straßenverbindungen zur Millionenstadt Diyarbakir waren von Militärstreifen blockiert worden. Wer verdächtigt wurde, an der Demonstration teilnehmen zu wollen, konnte nicht passieren oder wurde festgenommen.

Acht Angehörige der italienischen Friedensdelegation, die Sonntag abend per Flugzeug in Diyarbakir eintrafen, wurden gemeinsam mit ehemaligen kurdischen Abgeordneten des türkischen Parlaments am Flughafen festgehalten und mit dem nächsten Flugzeug zurückgeschickt. Auch die Tochter und die Ehefrau des von Todesschwadronen ermordeten kurdischen Intellektuellen Musa Anter, nach dem der Friedenszug benannt ist, teilten dieses Schicksal. Am Flughafen von Diyarbakir hatten die Behörden auf Englisch und Türkisch Warntafeln aufgehängt. Es lägen Informationen vor, wonach „Personen unter der organisatorischen Leitung der Terror-Organisation PKK Demonstrationen in Diyarbakir durchführen wollen“. Jeder, der sich an den „illegalen Demonstrationen“ beteilige, werde verfolgt.

Bei einer Kundgebung am Sonntag in Istanbul, an der trotz zahlreicher Behinderungen – auf Anordnung der Polizei wurde der Fährverkehr eingestellt und zahlreiche Buslinien verkehrten nicht – mehrere zehntausend Menschen teilnahmen, waren sieben Busse in Richtung Diyarbakir verabschiedet worden. Debatte Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen