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Der König von der Kirchenallee

Hamburgs Schauspielhaus zum dritten Mal zum besten deutschen Theater gewählt. Intendant Baumbauer erklärt dankend Kultur zum Standortfaktor  ■ Von Sven-Michael Veit

Christina Weiss wußte sich vor Freude kaum zu fassen: „Der deutsche Meister der Theaterbundesliga kommt aus unserer Hansestadt“, jubelte die parteilose Kultursenatorin gestern. Grund ihrer Euphorie: Das Deutsche Schauspielhaus wurde zum deutschsprachigen „Theater des Jahres“gekürt.

Die 45 wichtigsten Theaterkritiker hatten in der jährlichen Umfrage der renommierten Berliner Zeitschrift Theater heute die Hamburger Spielstätte nach 1996 und 1994 erneut auf den ersten Platz gesetzt. Intendant Frank Baumbauer, dem als erster seiner Zunft solch dreifache Ehre zuteil wird, nahm's äußerlich gelassen: „Die Auszeichnung gebührt dem ganzen Haus“, gab der Theater-König von der Kirchenallee das Lob ans Team weiter.

Die Bescheidenheit ist nicht gespielt, denn das Schauspielhaus wurde von den Kunstrichtern mit vier weiteren Goldmedaillen überhäuft: Die Inszenierung „Kasimir und Karoline“des Schweizer Regisseurs Christoph Marthaler wurde zur „Aufführung des Jahres“ernannt und Hauptdarsteller Josef Bierbichler als bester Schauspieler ausgezeichnet. Gleichfalls für ihre Arbeit an der Inszenierung des Dramas von Ödön von Horváth erhielten Stefanie Carp den Titel „Dramaturgin des Jahres“und Anna Viebrock – bereits zum dritten Mal in Folge – den der besten deutschen Bühnen- und Kostümbildnerin.

Baumbauer, der 1994 die Inten-danz des größten deutschen Sprechtheaters übernahm, kam bei aller Freude der Sinn für Realitäten nicht abhanden. Zwei Wochen vor den Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft am 21. September interpretierte er den fünffachen „Theater-Oscar“flugs als „Signal an die Politik“. Es könne nun von niemandem übersehen werden, „welch hohen Stellenwert die Kultur in Hamburg hat“. Wer auch immer den nächsten Senat bilde, müsse „erkennen, daß es sinnvoll ist, Kultureinrichtungen weiterhin zu subventionieren, statt sie durch Abbau der Mittel in die Mittelmäßigkeit zu treiben“. Das Schauspielhaus, das am 15. September 1900 eröffnete, wird im nächsten Jahr mit immerhin 36 Millionen Mark aus dem Kulturhaushalt bezuschußt.

Und für die kulturell weniger Bedarften unter Hamburgs PolitikerInnen verwies er gleich noch auf das große Ganze. Nicht zufällig habe gerade erst am Mittwoch die Hamburger Tourismus-Zentrale erklärt, daß wegen des Theater-, Musical- und Kulturangebots rund 150.000 Touristen pro Tag nach Hamburg kämen. „Die Kultur“, so Baumbauers nicht gar so dezenter Hinweis, „wird immer mehr zu einem Standortfaktor“.

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