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Schnulzen aus der Jukebox

Die fünfziger Jahre sind nicht nur etwas fürs eigene Wohnzimmer. Auch Kneipen im chromblinkenden American-Diner-Stil boomen in der Stadt  ■ Von Eva Blank

Elvis is back – und mit ihm die fünfziger Jahre. Kein Wunder, daß Fifties-Kneipen zur Zeit im Kommen sind. Zum Beispiel das City Diner in der Steglitzer Bergstraße. Vor 14 Monaten erst hat die Kneipe eröffnet, ein Restaurant im Stil amerikanischer Diners der Fifties. Lauschige Sitzecken mit kleinen Tischen, alles in dezentem Grau und Pastellgrün gehalten, riesige Filmplakate und natürlich die unvermeidliche Cola-Reklame. Hinter der verchromten Theke thront Sam Unsalan, Besitzer des City Diners. Aus Liebe zu den USA, in denen der gebürtige Türke jahrelang gelebt hat, eröffnete er sein American Diner. „Die fünfziger Jahre sind für mich alles, was an Lebensstil, Klamotten und Musik gut und schön war“, sagt Sam. Einer Größe der Fünfziger-Jahre-Filmwelt sieht er selbst ähnlich: dem etwas in die Jahre gekommenen Marlon Brando.

Sam ist ein Purist. Fake gibt es beim ihm nicht: Die gesamte Dinereinrichtung hat er aus Seattle importiert. „Hier in Berlin findet man wenig Stücke aus der Zeit. Dafür muß man schon in die USA fahren“, sagt Unsalan. Um so mehr ist er stolz auf seine echte Jukebox, die im Laden steht. „Es muß schon alles echt sein. Schließlich sollen sich die Leute wie zu Hause fühlen.“ Oder eben wie in einem amerikanischen Diner.

Ebenso einladend, nur ein bißchen schmuddeliger, steht das nur wenige Meter vom Yorck-Kino entfernte Wirtschaftswunder in Kreuzberg. Vor fünf Jahren wurde es im Stil der amerikanischen fünfziger Jahre renoviert. Eine knallrote zweigeteilte Bar sticht dem Besucher ins Auge, davor in Rot, Blau und Gelb verchromte Barhocker. An den Wänden stehen bunte Dinerbänke mit pastellfarbenen Tischen. Der Teppich ist schon etwas ausgetreten, und eine dezente Deckenbeleuchtung sorgt für anheimelndes Licht.

„Ich wollte einen Gegensatz zu den Neonkneipen schaffen, und außerdem paßte es zu dem Revival der Klamotten der Fünfziger“, sagt Eddy Lönhoff, Besitzer des Wirtschaftswunders. Vor fünfzehn Jahren bereits hat er die Kneipe eröffnet. Mit Amerika-Leidenschaft hat das bei ihm allerdings nichts zu tun. Deshalb wurde das Wirtschaftswunder zu Anfang erstmal im Stil einer deutschen Eisdiele eingerichtet. „Aber irgendwann gab es die Möbel nicht mehr, und wir mußten uns was Neues ausdenken“, so Lönhoff.

Der hintere Teil der Kneipe erinnert an ein deutsches Wohnzimmer der Fifties, komplett mit Nierentisch und Sesseln. Sogar eine einsame zweiköpfige Tütenlampe grüßt den Besucher. Doch sein Lieferant, der Lönhoff Jahr für Jahr Fünfziger-Jahre-Sachen besorgt hatte, hat seinen Laden dicht gemacht. Seitdem weiß Lönhoff nicht mehr, woher er die Sachen nehmen soll. Deshalb wird sich die amerikanische Jukebox wohl bald ganz heimisch fühlen. „Wir werden wohl weiter mit dem amerikanischen Mobiliar arbeiten“, sagt Lönhoff achselzuckend. Dem Publikum gefalle die zunehmende Amerikanisierung der Inneneinrichtung. Jeden Abend ist der Laden voll.

In der Tat, die fünfziger leben wie selten zuvor. Schaut man nur ins Route 66 – The fabulous 50s Diner am Ludwig-Kirch-Platz in Wilmersdorf, einem Glanzstück des American Diner Restaurants. Auf zwei Etagen entfaltet sich hier die Pracht des Fifties-Interieurs. In funkelndem Diamant-Rot und -Blau glitzern Dinersitzbänke, im blitzenden Chrom spiegeln sich die Gäste. Der alte Spielautomat in der Ecke lädt zum Ballerspiel ein. Eine riesige alte Colaflasche ist das Symbol für eine Welt, in der man noch an das ungebrochene Wirtschaftswachstum glaubte, und führt zu einem Blickfang, der mindestens eben so berühmt ist: Eine Zeichnung der berühmten Route 66 an der Decke. Irgendwo im Hintergrund röhren alte Schnulzen aus der Jukebox. Auch Bernd, Besitzer des Route 66, besorgt seine Möbel nur in den USA. „In Deutschland bekommt man so etwas gar nicht.“ Höchstens im Internet stößt er mal auf Angebote. Auch wenn das Mobiliar mühsam zu beschaffen ist, bleibt Bernd bei seinem Konzept. So ein Restaurant, glaubt er, braucht Berlin.

Regelmäßig muß er die Chromteile putzen und polieren. Zum Beispiel die rundum vollverchromte Bar. Auch die Details sind nicht dem Zufall überlassen: Gläser, Salzstreuer und Ketchupflaschen auf den Tischen sind Originale. Nur die Aschenbecher sind neueren Datums und den Bedienungen fehlt die stilechte Kleidung. Wer einen kleinen Glanz der Zeit in den eigenen vier Wänden haben will, dem kann Bernd einen Tip geben: „Echten Fans der Fünfziger leihe ich gern die Einrichtungskataloge aus.“

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