: Zaires Ex-Diktator Mobutu ist tot. Sein Leben lang galt er als einer der reichsten Männer der Welt. Doch nach und nach versiegten seine Geldquellen, selbst Telefonrechungen konnte er nicht zahlen. Und auch sein politischer Traum scheiterte.
Zaires Ex-Diktator Mobutu ist tot. Sein Leben lang galt er als einer der reichsten Männer der Welt. Doch nach und nach versiegten seine Geldquellen, selbst Telefonrechungen konnte er nicht zahlen. Und auch sein politischer Traum scheiterte.
Am Ende war der Führer nackt
Von Mobutus Vermögen wird zuweilen gesagt, es sei so groß wie die Auslandsschuld seines Landes – heute 14 Milliarden Dollar. Die Financial Times sprach im Mai von vier Milliarden Dollar. In Mobutus besten Zeiten mag das gestimmt haben. Doch ist zu vermuten, daß heute viel weniger übrig ist.
Der sichtbare Rest der Mobutu- Milliarden – der Wert der über Europa und Afrika verteilten Immobilien – beträgt etwa 50 Millionen Dollar. Weitere 100 Millionen gibt es nach Angaben eines ehemaligen Beraters von Mobutu in Form von Kapitalanlagen und beweglichen Gütern. Sonst ist alles ausgegeben oder weiterverschoben worden. Die Geschichte des Mobutu-Vermögens ist so die Geschichte beträchtlicher Raffgier, aber eine Strategie ist dahinter nicht zu erkennen. Albert Mukendi, heute Kabinettschef von Präsident Laurent-Désiré Kabila, spricht von einer Steinzeitmentalität von Jägern und Sammlern.
In der guten alten Zeit floß in Mobutus grandiosen Palästen Champagner-Rosé, teure Limousinen wurden importiert, und für all das stellte die Entourage überhöhte Rechnungen auf und kassierte die Differenz. Mit der gemieteten Concorde ging es zum Shopping nach Paris. Auf Dauer funktionierte das nur so lange, wie die Gans am Leben blieb, die die goldenen Eier legte – die Bergbaufirmen des an Bodenschätzen phantastisch reichen Zaire. Haupteinnahmequelle des Mobutu-Clans war die Staatsfirma Gécamines, größter Devisenbringer des Landes, die vor allem die Kupferminen in der Südprovinz Shaba betreibt. Die Profitabzweigung bedeutete den Ruin des Konzerns. Die Kupferproduktion fiel von 500.000 Tonnen jährlich Mitte der 80er Jahre auf 40.000 im Jahr 1996. Noch im Zustand des Bankrotts 1991 mußte Gécamines hundert Pajero-Geländewagen für Mobutus Frau Bobi kaufen.
In dem Maße, wie die Kupferquelle versiegte, wandte sich „Leopard“ Mobutu den Diamanten zu. Die von der zairischen Nationalkonferenz während der kurzlebigen Demokratisierung 1992 eingesetzte Kommission über widerrechtlich angeeignete Güter stellte mehrere Geldabzweigungen von den Konten der Industriediamantenfirma Minière du Bakwanga (Miba) fest, allerdings lediglich in Höhe von einigen hunderttausend Dollar. Die Miba war mit dem belgischen Privatunternehmen Sibeka liiert, das noch 1995 den Kauf neuer Förderanlagen finanzierte. Daher konnte Mobutu es sich nicht leisten, die Miba ähnlich totzuwirtschaften wie die Staatsfirma Gécamines. Hunderte Millionen Dollar erbrachte hingegen der Diamantenschmuggel über Kongo-Brazzaville. Von der Raubwirtschaft hat Mobutu weniger profitiert, als man glauben könnte. In Zaire zog jeder Mittelsmann im Namen des Marschalls seinen Anteil ab. Die hohen Offiziere, die Diamantenschürfgebiete besaßen, Devisen schmuggelten oder die Waffen ihrer Untergebenen verscherbelten, behielten einen guten Anteil von dem, was ihrem Chef zugestanden hätte.
Dennoch wußte Mobutu sich auch selbet zu bereichern. Schon Anfang der 80er Jahre berichtete Erwin Blumenthal, damals deutscher Weltbank-Vertreter in Kinshasa, von Mobutus Neigung, Staats- und Privatkasse zu verwechseln. Die Kommission über widerrechtlich angeeignete Güter erklärte, Mobutu habe beträchtliche Provisionen bei der Auftragsvergabe für völlig überdimensionierte Entwicklungsprojekte eingesteckt. Zum Beispiel bei der 1.800 Kilometer langen Hochspannungsleitung vom Inga-Staudamm quer durch Zaire nach Shaba, die das US-Konsortium Morrison & Knudsen baute. Laut Blumenthal- Bericht kassierte Mobutu 50 Millionen Dollar, als er 1976 der deutschen Raumfahrtfirma Otrag ein 70.000 Quadratkilometer großes Areal als Raketentestgelände verpachtete.
Von den Summen, die sich Mobutu aneignete, hat er aber nur wenig akkumuliert. Der Marschall war spendabel, wenn es um die Finanzierung seines Größenwahns, seines Hofes und seiner Prätorianergarde DSP ging. Grenzenlos war der Appetit der beiden mapasa (Zwillinge) neben Mobutu – seine Ehefrau Bobi Ladawa und deren Schwester Kossia, zugleich Mätresse des Präsidenten. Sie wachten über Mobutus Portemonnaie. Und man kann davon ausgehen, daß jetzt nach seinem Tod die verschiedenen Clans sich erbittert bekriegen werden: der von Bobi, der von Kossia und der der Kinder der ersten Frau Mobutus, Marie- Antoinette („Mama Mobutu“).
Mobutus auswärtige Geldquellen versiegten Anfang der 90er Jahre, als seine Reputation im Ausland in den Keller rutschte. Die Auslandshilfe wurde eingestellt, Großprojekte gab es keine mehr. Als daraufhin die zairischen Staatsbeamten keine Gehälter mehr bekamen, privatisierten sie ihre Arbeit und gewährten ihre Dienstleistungen nur noch gegen Bargeld.
Es war das Absterben des Staates. Und als im September 1996 der Bürgerkrieg mit den Rebellen unter Laurent-Désiré Kabila ausbrach, waren nicht einmal jene fünfzig Millionen Dollar mehr übrig, die die Nationalkonferenz als Budget des Präsidenten festgelegt hatte.
Als es also ums nackte Überleben ging, war Mobutu nicht mehr handlungsfähig. Sein Berater Seti Yale heuerte den Belgier Christian Tavernier an, der einen bunten Söldnerhaufen aus Serben, Kroaten und Franzosen rekrutierte. Aber der einzige Journalist, der die Soldaten an der Front erlebte – Thierry Charlier von Soldier of Fortune –, berichtete, kaum 100 Söldner hätten Tausenden gutbewaffneten Ruandern, Ugandern und Einheimischen gegenübergestanden. Ab Ende 1996 war das Mobutu-Regime nicht mehr in der Lage, richtig Krieg zu führen. Kontakte mit der südafrikanischen Sicherheitsfirma Stabilco, die für Mobutu südafrikanische Veteranen des Angola-Krieges anheuern wollte, scheiterten, weil die Firma 80 Millionen Dollar wollte – zuviel.
Die Anzeichen für Finanzprobleme häuften sich. Mobutu stritt sich mit den belgischen und französischen Steuerbehörden, weil er keine Grundsteuern mehr zahlte. In den USA ging die Firma Comsat vor Gericht, um 2,3 Millionen Dollar unbezahlte Rechnungen für Satellitentelefonnutzung einzutreiben. Am 21. Februar 1997 wurde eines von Mobutus Flugzeugen in London wegen einer offenen Reparaturrechnung gepfändet.
Als Mobutu kein Bargeld mehr hatte, suchte er Käufer für seine Immobilien – aber in Marokko scheiterte der Verkauf eines Hotels, weil es zu sehr mit Hypotheken belastet war. Kurz bevor Kabilas Truppen am 17. Mai in Kinshasa einmarschierten, soll der damalige Chef der Zivilgarde, General Kpama Baramoto, 92 Millionen Dollar von diversen Banken in Zaire und Belgien abgehoben haben. Mobutu habe davon nur vier Millionen bekommen; mit dem Rest setzte sich Baramoto nach Südafrika ab.
Was bleibt also noch zu holen? Viele Bankkonten der Mobutu- Entourage sind gesperrt. Die Schweizer Justiz hat in einem unüblichen Schritt Mobutus Villa Savigny beschlagnahmt. In Belgien wurde Mobutus Tochter Ngwali am 11. Juli ein Scheck über 100 Millionen belgische Francs (fünf Millionen Mark) abgenommen – Verkaufserlös des Schlosses Fond Roy nahe Brüssel.
Aber die Sperrung von Vermögen ist eine Sache – die Rückerstattung nach Kongo/Ex-Zaire eine andere. Der Schweizer Parlamentarier Jean Ziegler, ein alter Freund Kabilas, ist pessimistisch: „Bis heute kenne ich keinen Fall, wo eine Regierung der Dritten Welt das Vermögen ihrer korrupten Führer zurückerhalten hat“, sagt er.
„Mobutu baute ein Netz aus Offshore-Firmen auf. Es wird sehr schwierig sein, die Bankkonten zu identifizieren, und die Demokratische Republik Kongo wird die Gelder wahrscheinlich nicht bekommen können.“ François Misser, Brüssel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen