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Frankreichs KP – ein Patchwork regiert mit

■ Die Parteiführung muß sich heftige Kritik von der Basis gefallen lassen

„Georges hilf – die Kommunisten sind verrückt geworden“, hat ein anonymer Schreiber an die Wand eines Festzelts gesprüht. Alle wissen, was gemeint ist: Die letzte große KP des Westens ist dabei, die heiligen Kühe ihrer eigenen Geschichte zu schlachten. Neuerdings will sie sogar bis zur Teilprivatisierung von Staatsunternehmen gehen. „Mutation“ heißt das offiziell und war zusammen mit der Arbeit der drei kommunistischen Minister das große Thema der diesjährigen „Fête de l'Humanité“, dem Pressefest der Parteizeitung im Norden von Paris, das am Wochenende über 400.000 Menschen anzog.

Aber Georges kann gar nicht mehr helfen. Der frühere Parteiführer Marchais ist ein alter Mann geworden, gezeichnet von mehreren Herzattacken, die ihn ans Bett gefesselt haben. Sein Nachfolger, der Krankenpfleger Robert Hue, hat die Partei fest im Griff. Seit er das Amt 1994 übernahm, hat Hue die KPF gründlich umgemodelt. Hat „Mutation“ statt Stalinismus eingeführt, für Meinungsvielfalt gesorgt, altbelastete Begriffe wie ZK und Politbüro auf den Müll geworfen und die Regierungsbeteiligung gegenüber den Orthodoxen durchgeboxt. Bloß das K im Namen hat er verschont.

Dabei ist die KPF zu einem Patchwork geworden, wie sie bunter und vielfältiger nie gewesen ist. Wo früher die klare Linie war, purzeln heute die Dogmen und überschlagen sich die Genossen in öffentlichem Streit. Auf der „Fête de l'Humanité“ war die ganze neue Vielfalt vertreten. Vom „Honecker-Komitee“ bis hin zu den Befürwortern der Teilprivatisierung von Air France und solchen, die das genaue Gegenteil, nämlich die Verstaatlichung der Wasserversorgung verlangen. Als Mitarbeiter der France Télécom, die die Regierung teilprivatisieren will, auf ihren Abgeordneten trafen, sprachen sie klar und deutlich: „Das ist Verrat, Genosse – ihr laßt euch auf das Spiel des Klassenfeindes ein.“

Mitten im Gewühl der zweihundert Diskussionsveranstaltungen, Dutzenden von Konzerten, Ausstellungen, Verkaufsstände und Imbißbuden ging der vollbärtige Robert Hue um. Stets lächelnd und stets von TV-Kameras verfolgt, rechtfertigte er seine Strategie der Regierungsbeteiligung, wie er es seit inzwischen dreieinhalb Monaten tut. Aber wenn er mit seiner Basis diskutiert, schlägt Hue Töne an, als befände seine Partei sich in Wirklichkeit in der Opposition. Im Zelt des „Bürgerforums“ kritisiert er, daß in den Gängen der Regierung „ein wenig zu liberale Töne angeschlagen werden“. Bemerkt, daß „jede Privatisierung ein Risiko ist“, und begibt sich völlig in Gegensatz zur Regierungslinie, als er die gemeinsame europäische Währung grundsätzlich ablehnt und – erstmals seit dem Wahlkampf im Frühsommer – wieder von dem alten kommunistischen Projekt eines Referendums über den Euro spricht. Neben ihm sitzt Transportminister Jean-Claude Gayssot, früher Eisenbahner und Privatisierungsgegner, der letzte Woche erklärt hat, die Teilprivatisierung von Air France sei möglich.

Orthodoxe Kommunisten – darunter auch junge und viele Gewerkschafter – erörtern auf der „Fête de l'Humanité“ immer wieder die Frage: „Ist die Regierungsbeteiligung überhaupt von Vorteil für uns?“. Aber diese Diskussion ist dem Erfinder der „Mutation“ dann doch zu riskant. Er führt sie erst gar nicht. Dorothea Hahn

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