piwik no script img

Unter Polizeischutz sterben

■ Das Theater im Zimmer zeigt mit Billie Holiday. Lady Day at Emerson's Bar and Grill die Blues-Sängerin als einsame Kämpferin

Sie hätte problemlos die größten Konzertsäle füllen können. Doch in den letzten Jahren vor ihrem Tod 1959 mußte die legendäre Jazzsängerin Billie Holiday gegen einen äußerst geschäftsschädigenden Umstand kämpfen: Wegen ihres immensen Vorstrafenregisters hatte sie Auftrittsverbote in ihrer Heimatstadt New York.

In Lanie Robertsons Drama Billie Holiday. Lady Day at Emerson's Bar and Grill, 1986 in Atlanta uraufgeführt und ab Donnerstag im Theater im Zimmer zu sehen, gibt die Lady wieder ihre bekanntesten Songs zum Besten. Dazwischen erzählt sie die Geschichte ihres Lebens. Es ist ihr letzter Auftritt, in einem winzigen Jazz-Schuppen in Philadelphia, einer der vielen Städte, die sie nicht mochte, weil sie zu weiß waren. Zu viele Schwierigkeiten mit rassistischen Bartendern, Konzertveranstaltern und Zuschauern. Auf ihren Tourneen mit Count Basie und Artie Shaw gehörten Konflikte um Dienstboteneingänge und Toiletten für „Herrenmenschen“zum Alltag. Meistens hat sich Billie Holiday dagegen gewehrt, oft stand das Orchester geschlossen hinter ihr. Manchmal wurde es ihnen auch einfach zu anstrengend.

In seiner Inszenierung verschränkt Christoph Roethel Robertsons Stück mit Billie Holidays Autobiographie Lady sings the blues. Es werden auch lustige Geschichten erzählt (auf englisch, wohlgemerkt), aber vor allem geht es ihm darum, die Verletztheit und Einsamkeit zu zeigen, an der die Sängerin zeit ihres Lebens gelitten hat. In ihrer Stimme sei eine furchtbare Sehnsucht nach Liebe hörbar, das Singen sei ihr Verzweiflungsschrei gewesen, das Ventil eines Lebens, dem nichts erspart geblieben ist.

Die über alles geliebte Mutter war erst 13, als Eleanor Gough McKay zur Welt kam. Schon als Kind mußte sie deshalb für ihren Unterhalt selbst sorgen: als Putzfrau, später als Dienstmädchen und Prostituierte. Ihre Jazzkarriere wurde immer wieder unterbrochen: Die Heroinsucht brachte sie mehr als einmal ins Gefängnis. Sogar am Sterbebett stand die Lady noch unter Polizeibewachung.

Es muß wohl eine besondere Art von Blues sein, die Billie Holiday zur Legende macht und die laut Roethel hochkarätige Musiker anzieht: In der Hauptrolle wird die amerikanische Jazzsängerin Cynthia Utterbach zu sehen und zu hören sein. Am Piano alternieren Buggy Braune und Enno Dugnus, am Kontrabass Olaf Kasimir und Johannes Huth. Wie in den US-Clubs bekommen sie keine feste Gage, sondern werden an der Abendkasse beteiligt. Und ganz nebenbei will das Theater im Zimmer mit diesem Stück auf die Blackbox aufmerksam machen, ihr kleines feines Nachtprogramm. Für die Fans.

Barbora Paluskova

Premiere: Donnerstag, 25.September, 23 Uhr, Theater im Zimmer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen