piwik no script img

Schuh und Schrei

■ „Know no bounds“auf Kampnagel

Ein Abend, zwei Extreme bot das erste Konzert der Saison der Know no bounds-Reihe am Mittwoch auf Kampnagel. Zunächst Moritz Eggert, der im Frühjahr bei der Münchner Biennale mit seinem Opernerstling Helle Nächte erfolgreich war. Er spielte sechs Stücke aus seinem Konzertzyklus Hammerklavier – „spielte“im für einen Konzertpianisten neuen und mehrfachen Sinn. Denn schon im zweiten Stück „One Man Band“nutzte er den Flügel auch als Schlaginstrument, als Schlegel diente, außer Händen, Nase und Ellenbogen, der linke, pedalfreie Fuß, er stampfte (mit Schuh) den Boden und schlug (ohne Schuh) Akkorde in die tiefen Bässe.

In „Fallstudie“ersetzte Eggert dann die im Zuge der Fortschreibung einer Quintfallsequenz, wegen Begrenztheit der Tastatur, wegfallenden Töne durch Schreie. All das vom Komponisten/Pianisten nach jedem Stück uneitel und verständlich erklärt. In „Jerusalem“spielte er nicht nur auf, sondern im und ums Klavier herum, wobei die Bühnenaktion den Zuhörer/-schauer, anstatt von der Musik abzulenken, eher für sie sensibilisierte. Sie war originell und spannend, an manchen Stellen auch anrührend und schön genug.

War auf diese Art dem Vergnügen an neuer Musik Tür und Tor geöffnet, schien die Cellistin Frances-Marie Uitti nach der Pause recht verschlossen. Spröde, monoton und schwer zugänglich wirkte ihr Programm mit Musik von Harvey, Xenakis, Scelsi und einer eigenen Komposition. Ließ man sich freilich ein auf ihr in sich gekehrtes, hochvirtuoses Spiel, blühte die Wüste: Aus feinen und feinstziselierten Klangflächen entstanden Strukturen, Räume und Träume. Mit der von ihr erfundenen Zweibogen-Technik erreichte sie dabei eine ganz besondere Farbigkeit. Die mit der Rechten kunstvoll geführten zwei Bögen machen das Anstreichen von mehr als – wie bisher – nur zwei Saiten möglich: Uitti entlockt dem Cello nun Dreiklänge. Und da ihre Flageolettechnik perfekt ist, waren sie durchsichtig und schienen von innen zu leuchten. Auf seine Art war so auch dieser Teil des Abends ein Erlebnis.

Stefan Siegert

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen