: Gentechnik bleibt tabu
Grüner Kongreß verabschiedet eindeutige Ablehnung. Zunächst war noch von einer Teilakzeptanz die Rede ■ Aus Berlin Wolfgang Löhr
Die grundsätzliche Ablehnung der Gentechnologie gehört weiterhin zum Programm von Bündnis 90/Die Grünen. Diesen Beschluß faßten am Wochenende in Berlin gleich drei Bundesarbeitsgemeinschaften (BAG) der Partei auf einem Kongreß unter dem Motto „Gen-Medizin: Das Versprechen einer Gesellschaft ohne Krankheit und Behinderung“. Geladen hatten die BAGs Gentechnologie, Gesundheit und Behindertenpolitik. Zur Diskussion stand die ablehnende Haltung der Grünen zur Anwendung der Gentechnologie in der Medizin. Es sollte der Versuch unternommen werden, eine von allen tragbare Position zu finden.
Noch am Samstag abend sah es so aus, als wenn die Grünen eine – wenn auch sehr geringe – Kurswendung vollziehen würden. Das Wort von der „Teilakzeptanz“ machte die Runde. Einzelne Anwendungen der Gentechnologie, Gentests zum Beispiel oder die Suche nach Krankheitserregern, sollten von der prinzipiellen Ablehnung ausgenommen werden.
Für eine Überraschung sorgte dann gestern Mittag Gunda Röstel, Sprecherin des Bundesvorstands der Grünen. Sie stellte ein gemeinsam beschlossenes Positionspapier vor. „Bündnis 90/Die Grünen lehnen Gentechnik grundsätzlich und für alle Anwendungsgebiete ab“, heißt es dort unmißverständlich. Zwar ist nicht mehr wie im Hagener Beschluß von 1986 von einem sofortigen „Stopp der Gentechnologie“ die Rede. Doch die Gentechnik solle „zurückgedrängt“ werden. Sie führe in eine „Sackgasse“, weil sie den Menschen auf die Summe seiner Gene reduziere. Statt dessen sollten die staatlichen Forschungsgelder in alternative Konzepte der Medizin umgeleitet werden. „Auch bei der Ursachenforschung von Krankheiten wie der Umweltmedizin oder den sozialen Faktoren gibt es einen großen Nachholbedarf“, erklärte die Europaabgeordnete der Grünen, Hiltrud Breyer.
Die einzige Gegenstimme zu dem Papier kam von dem forschungspolitischen Sprecher der Grünen, Manuel Kiper. In der Bundestagsfraktion hatte der Molekularbiologie wiederholt für Furore gesorgt: Er weigere sich, die Gentechnologie in Bausch und Bogen zu verteufeln. Seine Position, daß die Gentechnologie in einzelnen Anwendungsgebieten durchaus sinnvoll sei (taz vom 25.4. 1996), wurde von Vertretern der Gentechnikindustrie begeistert aufgegriffen, um die grüne Fundamentalopposition zur Gentechnologie in Zweifel zu ziehen. Die auf dem Kongreß geäußerten Vorwürfe, er sei ein „Trojanischens Pferd“, das für die Akzeptanz der Risikotechnologie sorge, wies Kiper entschieden zurück. „Ich verstehe nicht, wieso ich hier zum Watschenmann gemacht werde“, sagte der Bundestagsabgeordnete, der seit Jahren schon zu den fachlich kompetenten Kritikern der Gentechnologie gehört. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, meinte auch Grünen- Sprecherin Röstel. Sie spielte damit auf den nächsten Parteitag der Grünen an, auf dem die Position zur Gentechnologie erneut zur Diskussion gestellt wird.
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