piwik no script img

Architekturterrorismus

■ HamburgerInnen beschreiben ihr meistgeliebtes oder -gehaßtes Gebäude. Teil IX: Michael Ehnert über 70er-Jahre-Siedlungen

Vorweg: Ich entstamme einer sozialdemokratisch geprägten Arbeiterfamilie. Ich bin liberal. Ich bin tolerant. Ich bin weltoffen und verständnisvoll, aber es gibt Grenzen. Und deshalb sage ich: Laßt sie in den Knästen verrotten, laßt sie in ihren Hochsicherheitstrakten von Selbstmord träumen, denn sie haben es nicht besser verdient.

Und auch wenn sie jetzt (schamlos gegenüber ihren Opfern und blind gegenüber der Geschichte) wieder einmal Begnadigung fordern, so wollen sie in Wirklichkeit doch nicht Gnade, sondern Vergessen. Und gerade das können, das dürfen wir ihnen nicht gewähren.

Der Terrorismus der 70er Jahre war schließlich kein Kavaliersdelikt. Aus purer Geldgier und menschenverachtender Gedankenlosigkeit wurden damals Zigtausende zwischen grauen Häuserwänden eingepfercht, zynisch verlacht durch ein paar orangefarbene Balkone hier und da, alleingelassen ohne Infrastruktur in einem Alptraum aus Stein, abgeschnitten vom Rest der Welt. Mümmelmannsberg, Steilshoop, Kirchdorf-Süd: Das Grauen hat immer noch einen Namen, vergessen wir das nicht... Und vergessen wir auch nicht, daß es damals nur durch alle dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Gewaltmittel gelungen war, die Architekten dieser Siedlungen zu fassen und zu verurteilen.

Und selbst als im „deutschen Herbst“der RING DEUTSCHER MAKLER versuchte, seine Gesinnungsgenossen durch andere perfide Terrorakte, wie z.B. ansteigende Maklergebühren, freizupressen, war es „die harte Linie“, die sich bewährte. „Ein Rechtsstaat“, sagte der damalige Bundeskanzler, und ich bin ihm noch heute dankbar dafür, „darf nicht erpreßbar sein. Ein Rechtsstaat muß seine Bevölkerung schützen.“Und deshalb ist es richtig und ein beruhigendes Gefühl, daß diese Baumeister des Grauens noch immer im Knast sitzen – tun sie doch, oder?

Michael Ehnert ist Schauspieler und Mitbegründer des Bader-Ehnert-Kommandos sowie der Hamburger Theater Mafia.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen