Kommentar: Tante Emmas Filialleiter
■ Warum beim Verkauf der Pro vor allem die Verkäuferinnen das Nachsehen haben
Lebensmittel dienen einem menschlichen Grundbedürfnis, das sagt schon ihr Name. Früher stillte dieses Tante Emma. Ihr Eckladen verwandelte sich im Laufe der Jahrzehnte zur Ladenkette, Tante Emma mutierte zur Halbtags-Hausfrau an der Wursttheke.
2.800 Beschäftigte in Hamburgs Pro-Märkten zählen heute zu dieser modernen Emma-Variante. Noch packen sie gemischten Aufschnitt in durchsichtige Plastikfolie und kassieren elektronisch. Seitdem längere Ladenöffnungen ihnen den Feierabend vergrätzen, stöhnen sie ein wenig häufiger als früher – und pflegen am späten Abend zu Haus ihre Krampfadern.
Ob sich daran viel ändert, wenn die Pro-Kette nun verkauft wird? Gewerkschaft und Betriebsrat laden zwar gleich 14fach zur Versammlung: Möglichst sollten keine Läden geschlossen, keine Mitarbeiter entlassen und keine Gehälter gesenkt werden. Die moderne Emma sieht das genauso. Doch den Aufstand wird sie vermutlich nicht wagen.
Da wird schon eher einer der 154 Ladenleiter aktiv: Rund 6.000 Mark brutto verdient er im Moment noch bei Pro. Damit läßt sich gut leben. Der Tarif würde ihm weniger zubilligen, nur 4.600 Mark. Dem Manne geht's also um Besitzstandswahrung, um Lebensstandard. Wahrscheinlich stellt er im heimeligen Wohnzimmer schon erste Berechnungen für den Weg in die Selbständigkeit an.
Die 56jährige am Wursttresen hingegen kann zusehen, wo sie bleibt. Die hat doch eh einen Mann, der sie versorgt. Oder?
Karin Flothmann
Bericht Seite 22
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