■ München: Japanischer Prinz träumt sensible Entführung in fremde Welten: Haya Gawari bei Yume
Am Eingang des Deutschen Theaters, Aufführungsort der neuen André-Heller-Show „Yume“, wird uns ein Faltblatt mit einer seltsamen Frage überreicht: Was haben BMW und André Heller gemeinsam? Ganz einfach, möchte man antworten, Heller macht 'ne neue Show, und BMW zahlt dafür, daß sie am Rande der Show für ihre Autos werben dürfen. Stimmt aber gar nicht. „BMW und André Heller – das ist eine ideale Kombination: Beide sind mobile, innovative ,Global Player‘. Jeder interpretiert den ,Flug durch Träume‘ auf höchstem Niveau.“
Na so was, denken wir auf der Suche nach unseren Plätzen und stecken die Werbebroschüre zur späteren vertieften Lektüre in die Gesäßtasche, BMW hat bisher eigentlich eher den „Flug durch Windschutzscheiben“ interpretiert, wenn auch, zugegeben, auf höchstem Niveau – aber psst! Yume geht los!
Yume, das hat André Heller in einem Programmheft-Interview verraten, zeigt Künste, die in Japan größtenteils „nur in Clubs, Vereinen oder geheimbundähnlichen Institutionen gepflegt werden“. Sehr schwierig sei es gewesen, die Künstler dazu zu überreden, „ihr rares Können einmal vor die Aufmerksamkeit von sensiblen Menschen im Ausland zu legen“. Den Schmäh des Wieners Heller einmal übersetzt, könnte das auch folgendes bedeuten: Was ich hier vorführe, wollen in Japan nur ganz wenige sehen, und wenn's euch nicht gefällt, dann seid ihr eben unsensibel, und das sage ich, André Heller, der Allersensibelste von allen überhaupt.
Aber das ist natürlich nur eine böswillige Unterstellung; gleichwohl genährt vom Beginn der „japanischen Kultshow“, zu welchem uns von einer Tonbandstimme (André? Bist du's?) sinngemäß mitgeteilt wird, wir sollten uns erstens in eine fremde Welt entführen lassen, zweitens keine billigen Sensationen erwarten, und drittens sei alles, was von jetzt an auf der Bühne passiert, nur der Traum eines japanischen Prinzen.
Was träumen eigentlich japanische Prinzen? Es folgt eine höchst unsensible Zusammenfassung der Höhepunkte: Zunächst ist da eine „Orian Parade“, und das ist ein Kurtisanen-Defilee der Edo- Epoche: Einige Japanerinnen in bunten Gewändern wandern über die Bühne, ab und zu kichert mal eine davon (Kurtisanen!). Es folgt der Renjishi, ein Kabuki-Tanz der Löwen; hier headbangen zwei Tänzer mit bunten, langen Perücken und kommen dabei auch mal aus dem Takt der für unsere europäisch-unsensiblen Ohren nur schwer verständlichen japanischen Musik.
Was Dai Kagura, Ogo Odori und die Haniwa-Prozession sind, möge jeder selbst herausfinden, Mizu Gei jedenfalls sind Wasserspiele aus der Edo-Epoche – Gartenschlauchspritzereien in malerischer Kulisse. Zu Wazuma, der Zauberei für Kinder der Edo-Epoche um 1750, bleibt anzumerken, daß Vierjährige sich damals an den Kunstücken wohl genauso gefreut haben, wie Vierjährige heute es tun würden – wenn welche dagewesen wären. Und wenn wir daheim mal ganz übermütig sind, dann machen wir ein „Haya Gawari“, das ist „Verwandlungskunst aus dem Kabuki. Der Onnagata, ein Mann in der Rolle einer Tänzerin, zeigt Sagimusume, den Tanz des Reihermädchens.“ Und so sieht das dann auch aus.
Zwar hinterläßt fast jede der achtzehn Nummern das Gefühl, das sei erstens zwar sehr japanisch, aber nichts Besonderes gewesen, und zweitens hätten die Damen und Herren Künstler ruhig noch etwas länger üben können – aber trotzdem: Yume kann auch Spaß machen. Vergißt man mal den ganzen Hellerschen Schwulst, sind auf der Bühne plötzlich ganz sympathische japanische Menschen zu sehen, die permanent lachen und sich aufmunternde Worte zurufen, während sie ziemlich unspektakulär, aber voller Freude Sonnenschirme jonglieren oder läppische Kraniche falten. Diese skurrile Heiterkeit ist es, die uns, neben der Sinnlosigkeit des Begleitmaterials, noch viel später beschäftigen wird: Verdammt noch mal, haben die uns verarscht? Stefan Kuzmany
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