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Monument der Unsterblichkeit

■ An Nord-Koreas Botschaft in der Glinkastraße kündet ein Propagandakasten auch drei Jahre nach dem Tod des "großen Führers" Kim Il Sung von dessen Unsterblichkeit. Die hat aber demnächst ein Ende

Mit blendend weiß retouchiertem Gebiß blickt der große Führer Genosse Kim Il Sung durch sein Kassengestell zuversichtlich in die Glinkastraße. Was er vom überdimensionalen Bilderkasten vor dem „Büro für den Schutz der Interessen der koreanischen demokratischen Volksrepublik“ sieht, sind Baustellen und ein paar verirrte Touristen. Nicht gerade erbauend. Aber das scheint dem großen Führer und Genossen schnurzegal zu sein, so wie er da im Vierfarbendruck lächelt.

Schnurzegal scheint auch den Botschaftsmitarbeitern zu sein, daß der Mann seit 1994 tot ist. Wenn da nicht die Sache mit der Unsterblichkeit wäre. Es ist allseits bekannt, daß große Führer in Nord-Korea unsterblich sind. Vielleicht auch deshalb, weil man ja nie weiß, was die Nachfolger alles anstellen würden, wenn der große Führer einfach nur so wegsterben würde und quasi für immer von der Bildfläche verschwände.

Und um genau das zu verhindern, hat die nordkoreanische Staatsführung neue Bildflächen geschaffen wie die an der Botschaft in der Glinkastraße. Auf einer Größe von etwa sechs Quadratmetern unternimmt die kommunistische Führung den Versuch, auch arglose PassantInnen im Zentrum Berlins in den Bann „der grenzenlosen Sehnsucht nach dem väterlichen Führer“ zu ziehen. Glaubt man den Angaben im Propagandakasten, sind in Pjöngjang „Werktätige aus allen Bevölkerungsschichten, Schüler und Studenten“ längst von dieser Sehnsucht „durchdrungen“.

Sechzehn großformatige Farbfotos künden von der unglaublichen Trauer, welche das nordkoreanische Volk seit dem Ableben des großen Führers und Genossen befallen hat, aber auch vom verpflichtenden Gelöbnis, ihn „tausend, zehntausend Jahre hoch zu verehren“. Da sieht man die Jugend, die Volksarmee und die Parteiführung Nord-Koreas, alle brav uniformiert und sehr diszipliniert, etwa vor dem Gedenkpalast Kumsusan in Pjöngjang – einem gigantischen Mausoleum, auf dessen Vorderseite, wer hätte es gedacht, das gleiche Foto des Führers prangt wie in der Glinkastraße. Nur ein wenig größer.

Auch ein Monument der Unsterblichkeit gibt es bereits, genau 92,5 Meter hoch, wie man lesen kann, und es hat sogar einen Namen: „Der große Führer weilt auf ewig unter uns.“ Daß sich diese Hoffnung nicht in Berlin erfüllt, dafür sorgen die Genossen in Pjöngjang selbst. Wie es aus der Botschaft heißt, sollen in spätestens drei Monaten neue Bilder in Berlin eintreffen: Nach drei langen Trauerjahren haben Parteiführung und Staatsvolk den Sohn des alten großen Führers, Kim Jong Il, bisher als „geliebter Führer“ bekannt, zum neuen großen Führer ernannt. Dann wird der Propagandakasten von den großen Taten des neuen, geliebten und vor allem großen Führers künden. Die Menschen in der Glinkastraße wird es freuen. Denn Unsterblichkeit kann schon nach drei Jahren ziemlich langweilig werden. Matthias Stausberg

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