■ Schadenersatzanspruch kommt zu spät: Der Strahlentod war schneller
Hanau (taz) – Premiere bei der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie: Sie wird erstmals Schadenersatzansprüche wegen der berufsbedingten Strahlenerkrankung eines ihrer Mitglieder leisten müssen. In gleich drei medizinischen Gutachten, die die Berufsgenossenschaft in Auftrag gegeben hatte, heißt es übereinstimmend, daß der Chemiefacharbeiter Franz Ferstl einer exzessiv hohen Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen sein müsse: 1975 bei Nukem in Hanau als Arbeiter bei der Umwandlung von Uranhexafluorid in Uranmetall und bei der Schrottaufbereitung.
Sollte tatsächlich demnächst Geld fließen, wird Ferstl davon nichts haben. Der Mann ist 1991 in Hanau an Nieren-, Zungen- und Lungenkrebs gestorben. Und auch seine Frau, Lili Ferstl- Loesche, lebt nicht mehr. Sie starb 1995 an Leberkrebs. Bei Ferstl wurde das strahlende Material im Körper bei einer Routineuntersuchung 1976 entdeckt. Zur Spezialuntersuchung kam er in das Kernforschungszentrum Karlsruhe. Diese Analysen sind bis heute Verschlußsache.
Erst 1991, nach dem Tod von Ferstl, gab Nukem bekannt, daß der Arbeiter 1975 oder 1976 mit einer Dosis von 11,4179 Sievert belastet gewesen sei. Der Grenzwert für die Lebenszeitdosis eines Arbeiters in kerntechnischen Anlagen liegt bei 0,4 Sievert. Was 1975 oder 1976 bei Nukem geschah, ist bis heute nicht bekannt. Auch nicht, ob es damals zu weiteren Vergiftungen kam. Da sei eine Mauer des Schweigens aufgebaut worden, sagte gestern ein Atomkraftgegner aus Hanau am Rande des Erörterungstermins zu Nukem-alt. kpk
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