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Für ein Schwimmbad – gegen ein Gemäldemuseum

■ Bürgerentscheide gehören zum bayerischen Alltag. Mitunter gewinnt aber der Kleingeist

Nürnberg (taz) – Im Durchschnitt sind jede Woche die Bürger zweier bayerischer Gemeinden zur Wahlurne gerufen. „Der Bürgerentscheid ist ein Stück blau-weißer Normalität geworden“, ist denn auch Thomas Mayer, Geschäftsführer von „Mehr Demokratie“, zufrieden. Mal stimmten die Münchener hauchdünn für drei milliardenteure Tunnel am Mittleren Ring, dann sperrten die Regensburger die alte Brücke für jeglichen Verkehr. Die Bürger von Passau plädieren für den Bau eines Erlebnisbades, das Umland von Nürnberg setzt den Erhalt dezentraler Geburtenstationen durch, und die Augsburger weisen das Geschenk eines örtlichen Unternehmers, den Bau einer riesigen Tiefgarage, barsch zurück.

Kaum einer der bislang über 230 im Freistaat vollzogenen Bürgerentscheide schlug jedoch so hohe Wellen wie der Streit um das Buchheim-Museum in Feldafing. Der streitbare Bestsellerautor („Das Boot“) und Sammler expressionistischer Werke, Lothar-Günther Buchheim, wollte in dem 4.000 Einwohner zählenden Dorf am Starnberger See ein „Museum der Phantasie“ erbauen lassen. Bayerns Ministerpräsident Stoiber zeigte sich begeistert, und auch Kultusminister Hans Zehetmair war froh, daß die wertvollen Gemälde damit innerhalb der Grenzen des Freistaats verbleiben würden. Doch sie alle machten die Rechnung ohne die Bürger von Feldafing. Man fürchtete um die Ruhe und Beschaulichkeit des schmucken Örtchens und sah bereits die Villenzufahrten durch Autos der Museumsbesucher restlos zugeparkt. In einer wochenlangen, hitzig geführten Kampagne wurde die Horrorvision einer gewaltigen Tourismuswelle an die Wand gemalt. Mit Erfolg. Im April kippte ein Bürgerentscheid das Objekt. „Blamage für Bayern“, titelte die Münchener Abendzeitung, und Stoiber sah erbost ein „höhnisches Gelächter über Bayern“ hinwegziehen. Buchheim kommentierte: „Gute Nacht, Deutschland“. B.S.

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