: Die US-Behörden wollen dem Software-Giganten Microsoft eine Strafe von einer Million Dollar täglich aufbrummen. Der Vorwurf: Microsoft nutze sein Monopol beim Betriebssystem "Windows 95", um Konkurrenten auch im Bereich der Internet-Erkundu
Die US-Behörden wollen dem Software-Giganten Microsoft eine Strafe von einer Million Dollar täglich aufbrummen. Der Vorwurf: Microsoft nutze sein Monopol beim Betriebssystem „Windows 95“, um Konkurrenten auch im Bereich der Internet-Erkundungssoftware auszustechen.
Gratisprobe ist wettbewerbswidrig
Die Justizministerin der Vereinigten Staaten zog höchstpersönlich die Notbremse. Bill Gates' Marsch ins Internet geht Janet Reno entschieden zu weit. „Das geht einfach nicht“, schimpfte sie am Montag vor der Presse und gab bekannt, daß das Justizministerium eine Klage gegen Microsoft einreichen werde. Und diesmal soll es richtig teuer werden: Eine Million Dollar täglich soll Firmenchef und Milliardär Bill Gates an Strafe bezahlen, solange er seine Geschäftspraktiken nicht ändert.
Anlaß des neuesten Streits der Software-Firma aus Redmond mit der US-Regierung ist der „Internet Explorer“, dessen letzte Version (4.0) seit Anfang des Monats auf dem Markt ist. Das Programm kostet zwar nichts, wenn man es aus dem Internet holt, aber Janet Reno wirft Bill Gates vor, daß er Computerhändler dazu zwinge, ihren Kunden dieses Programm zusammen mit dem Betriebssystem „Windows 95“ zu installieren. Es sei „ungesetzlich“, argumentiert Janet Reno, daß Microsoft seine Vormacht auf dem Markt der Kleinkunden ausnutze, um sein Monopol für Windows „zu schützen und noch weiter auszudehnen“. Microsoft hat elf Tage Zeit, um auf die Klage schriftlich zu antworten, danach kommt es wahrscheinlich zu einer Anhörung vor einem Bundesgericht.
Noch am selben Tag sackte der Aktienkurs von Microsoft an der Wall Street ab, die in der letzten Zeit ständig fallenden Werte des Konkurrenten Netscape dagegen sprangen um über drei Dollar in die Höhe. Die Schützenhilfe aus Washington kommt der vergleichsweise kleinen Software- Firma aus Sunny Vale in Kalifornien überaus gelegen. Netscape ist dabei, den sogenannten Browser- Krieg zu verlieren. Noch vor einem halben Jahr war auf über 80 Prozent aller Heimcomputer mit Internetanschluß eine der vielen Versionen von Netscapes „Navigator“ installiert. Microsoft kam mit seinem „Internet Explorer“ auf höchstens zehn Prozent.
Damit mochte sich Bill Gates auf Dauer nicht abfinden. Denn längst geht es nicht mehr nur um die Konkurrenz mehr oder weniger gelungener Software für Kleincomputer. Der Browser, der ursprünglich nur dazu diente, den simplen Programmcode des World Wide Web auszuführen, entscheidet heute über die weitere Entwicklung des Internet. Das kleine Hilfsprogramm für Computerfreaks ist zum Schlüssel für den Massenmarkt der Multimediakonsumenten geworden. Die vom Programmierer des ersten brauchbaren Browsers gegründete Firma Netscape hatte viel früher als Bill Gates begriffen, daß sich mit dem zum World Wide Web multimedial aufgerüsteten Internet auch der Gebrauch des Computers gründlich ändern würde. Der Heimrechner werde aufhören, sah man bei Netscape voraus, eine bessere Schreibmaschine zu sein, er werde zum Kommunikationsinstrument, damit zum Medium – und Netscape lieferte schon mal kostenlos das passende Programm. In den vergangenen Jahren sind die Funktionen der Browser ständig erweitert worden. Hinzugekommen ist zum Beispiel die Möglichkeit, elektronische Post zu versenden und zu empfangen sowie Videokonferenzen über das Internet abzuhalten.
Der Erfolg der Konkurrenz aus Kalifornien lehrte selbst Bill Gates das Fürchten. Binnen weniger Monate trimmte er seine ganze Firma, die bislang für Computernetze gar nichts anzubieten hatte, auf diesen neuen Kurs um. Neben Netscapes Browser sah plötzlich sogar der Publikumsrenner Windows 95 ziemlich alt aus. Und tatsächlich begann das Surfprogramm der Konkurrenz allmählich Funktionen zu übernehmen, die bisher der Benutzeroberfläche des Betriebsystems vorbehalten waren.
Microsoft versuchte gar nicht erst, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Im Gegenteil. Bill Gates hatte den Zug der Zeit verstanden. Windows ist ein Auslaufmodell. Microsofts Browser treibt die Entwicklung des PCs zum Netzcomputer für den Hausgebrauch weiter voran. Die neueste Version des Internet Explorer richtet auf dem Bildschirm eine Benutzeroberfläche ein, die von vornherein auf das Internet eingestellt ist. Die Fachpresse berichtete seit Monaten darüber und kam zunehmend zu dem Schluß, daß der Vorsprung von Netscape immer kleiner werde.
Zum erstenmal, auch darüber sind sich die Fachleute einig, hat Microsoft nicht nur ein populäres Programm auf den Markt geworfen, sondern ein Programm, das auch technisch an der Spitze steht. Netscapes Stern sinkt – ein Sprecher sagte gestern: „Wir wollen alles über 50 Prozent halten.“ Selbst dieses bescheidene Ziel steht auf dem Spiel. Microsoft dürfte selbst vom US-amerikanischen Justizministerium nicht mehr zu bremsen sein – wer einen Computer für das Internet kauft, wird Microsofts Internet Explorer auch dann nutzen wollen, wenn er nicht schon vom Händler installiert worden ist.
Janet Reno verlangt denn auch nicht allzuviel von Bill Gates. Sie will nur, daß Microsoft sein Schlachtroß Windows nur dann gleich mit dem Internet Explorer zusammen ausliefert, wenn im Beipackzettel steht, daß der Kunde den Webbrowser nicht benutzen müsse, und in der Gebrauchsanweisung außerdem erklärt werde, wie das Programm wieder gelöscht werden kann. Niklaus Hablützel
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