■ Standbild: Schranzen in China
„Hotel Shanghai“, Mi., 20.15 Uhr, ARD
Wenn das Fernsehen in die ferne oder historische Welt zieht, ist es immer ganz besonders aufgeregt. Dann plustert es sich auf wie ein Pauschaltourist, der über falschtemperiertes Bier meckert.
Shanghai im Jahre 1937 ist ziemlich weit weg. Und das „Hotel Shanghai“, in dem unter der Regie von Peter Patzak die letzten Schranzen europäischen Hochstaplertums herumlungern, liegt unter einer Käseglocke, durch die chinesische Unruhen oder das Kriegsgeheul der Nippon-Faschisten nur als eine Art folkloristisches Bäuerchen hindurchdringen. Jedenfalls sind die Hotelgäste und -besucher nur am Meckern. Wer die Fotos der Hauptfigur, der russischen Aristokratin und Säufergattin Helen Russell, geklaut habe, oder wo denn der Whisky bleibt. Der Pianist ist wie alle in Helen verknallt. Reiswein ist das Letzte, schimpft Herr Russell und fällt wieder ins Delirium. „Die Engländer marschieren...“, sinniert der Kriegsreporter, tief bewegt. Und die abgetakelte Grande Dame und Blockwartin des Ladens läßt sich zu einem spitzlippigen „Das ist ein Skandal!“ hinreißen. Unmengen andere Figuren purzeln hinzu. Eine personelle Verwertungshysterie, wie man sie selbst aus den langwierigen Eröffnungssequenzen preiswerter Katastrophenfilme nicht kennt.
Doch die Katastrophe findet nicht statt. Nicht einmal ein Kataströphchen. Nur ein bißchen verbotene Fummelei zwischen dem filmenden Kriegsbummler und der blonden Helen. Trotzdem werfen sich die Akteure in „Casablanca“-Posen, und auch die Ausstattung platzt fast aus den Nähten. Doch die Vicki-Baum-Verfilmung „Hotel Shanghai“ bleibt ein historisch verkleideter Ballermann 6 für Kreditkartenleger. Birgit Glombitza
Teil 2: Freitag, 20.15 Uhr
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