: „Und was hast du dabei gefühlt?“
■ Zum 500. Mal: Nighttalk mit „Domian“ (Di. bis Sa., 1 Uhr, Radio Eins Live und West 3)
Wer nachts 0130-29 11 wählt, hat entweder ein Problem oder eine Geschichte zu erzählen. Und Jürgen Domian soll Rat, Hilfe und Unterstützung bieten. Seit April 1995 ist „Domian“ auf Sendung, fünfmal die Woche, bimedial, parallel auf Radio Eins Live und im WDR Fernsehen. Heute, in seiner 500. Sendung, werden wieder Menschen anrufen, die nicht wissen, wie sie mit ihrer zerbrochenen Beziehung umgehen sollen oder wie sie ihren kleinen Bruder dazu bringen können, sich mal regelmäßig zu waschen. Und vielleicht erzählt auch wieder ein Pärchen von seinem ersten Erlebnis mit einem dritten Mann im Bett. Talkradios sind auch hierzulande nichts Neues, schon in den 50er Jahren hatte der NDR Hilfesuchende über den Äther gejagt. Und im Fernsehen plaudern tagtäglich Dutzende in den Talkshows über ihre Obsessionen und Lebenskrisen. Was „Domian“ heraushebt, ist die Vertrautheit, mit der der 39jährige Rundfunkjournalist (und ehemalige Mitschüler von Hella von Sinnen) seinen Anrufern begegnet. Domian ist das offene Ohr und der große Bruder. Als Psychologe versteht er sich dabei nicht, sondern als einfacher Menschenkenner.
Seine Fähigkeiten haben sich in den vergangenen 499 Gesprächen keineswegs abgenutzt, sondern vielmehr noch perfektioniert: Um Vertrauen herzustellen, hält er mit eigenen Meinungen nicht hinterm Berg und läßt bisweilen auch mal Details aus seinem Leben fallen (bisexuell, Mützen- und Hirschgeweihsammler...). Weil er – anders als die TV-Kolleginnen von „Arabella“ bis „Sonja“ – niemanden auflaufen läßt, seine Gesprächsführung stets unprätentiös und seriös bleibt, haben auch die Menschen zu Hause vor den Geräten nicht das mulmige Gefühl, Augen- und Ohrenzeugen einer peinlichen Bloßstellung geworden zu sein. Voyeure werden nicht aus Prinzip bedient, kommen aber durchaus auf ihre Kosten.
Wofür andere U-Bahn fahren und sich die Geschichten zu den Gesichtern selbst ausdenken müssen, bekommen „Domian“-Fans frei Haus geliefert. „Schieß einfach los“, ermuntert er seine Anrufer. Wie gut geht's mir, denk' ich dann manchmal zu Hause vor dem Fernseher und höre, wie viel komplizierter, aber irgendwie auch aufregender das Leben sein kann, und Domian fragt interessiert in die Kamera: „Und was hast du dabei gefühlt?“ Axel Schock
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