■ Hamburg: SPD und GAL wollen das AKW Brunsbüttel abschalten: Ein Etappensieg – mehr nicht
Für die Hamburger Grün-Alternative Liste (GAL) ist der Beschluß zum AKW Brunsbüttel ihr alles überragender Erfolg in den Koalitionsverhandlungen mit der Elb-SPD. Denn erstmals in der Republik gelang es den Grünen, in einer grün-roten Bündnisvereinbarung festzuschreiben, daß die zukünftige Landesregierung einen Atomreaktor zum frühest möglichen Zeitpunkt abschalten will.
Dies ist eine Entscheidung mit doppelter Signalwirkung: Die Hamburger Grünen können sich nun sicher sein, daß ihre Basis die Koalitionsvereinbarung mitträgt – das rot-grüne Bündnis ist damit so gut wie unter Dach und Fach. Und auch mit Blick auf die Bundestagswahlen 1998 öffnet sich durch den Ausstiegsgleichschritt von Grünen und SPD an der Elbe die Tür für eine rot-grüne Ablösung von Helmut Kohl erneut einen Spalt weit. Die Hamburger Vereinbarung könnte Modellcharakter für eine bundesweite Energiepolitik mit sozialdemokratischer und grüner Handschrift haben.
Trotzdem wäre es ein Fehler zu glauben, daß der am Donnerstag gefaßte Beschluß auch tatsächlich bedeutet, daß der Brunsbüttler Atomreaktor im Jahr 2002 endgültig vom Netz geht. SPD und GAL haben eben nicht vereinbart, daß Hamburg mit seiner Aktienmehrheit auf der nächsten Hauptversammlung den Vorstand der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) darauf verpflichtet, die Brunsbüttel-Verträge mit der Betreiber-Partnerin PreussenElektra schnellstmöglichst zu kündigen, um den Reaktor anschließend endgültig vom Netz zu nehmen. Statt dessen wurde der Ausstieg von Wirtschaftlichkeitsgutachten und einer engen Kooperation mit dem HEW- Management abhängig gemacht, das bis heute strikt auf Atomkurs ist.
Richtig ist gleichwohl: Die Vereinbarung zu Brunsbüttel ist mehr als nur ein Symbol guten Willens, das nichts kostet. Viel wird davon abhängen, ob die Hamburger Grünen in Zukunft die Umweltbehörde leiten werden, viel auch davon, ob die Sozialdemokraten im tagespolitischen Ränkespiel den Brunsbüttel-Ausstieg eher blockieren oder befördern. Der Sieg der GAL besteht deshalb nicht darin, daß es ihr in den Koalitionsverhandlungen gelungen ist, den Konflikt um die Abschaltung des altersschwachen Atommeilers zu beenden. Ihr Erfolg ist es, daß diese Auseinandersetzung im Hamburger Rathaus nun erstmals überhaupt ernsthaft geführt werden wird. Wie dieser Konflikt ausgehen wird, das ist heute freilich noch völlig offen. Marco Carini
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