: Gefangen im Hubbard-Reich
18jährige Hamburgerin berichtet über ihre Karriere und ihren schwierigen Ausstieg bei der US-Sekte „Scientology“ ■ Von Thomas Koch
„Ohne Hilfe schafft man den Ausstieg nicht.“Die das sagt, muß es wissen. Tanya N. war von Geburt an in den Klauen der Sekte. „Meine Eltern sind schon immer Scientologen gewesen“, berichtete gestern die 18jährige Hamburgerin. Bereits mit neun Jahren mußte sie einen „Kinderkommunikationskurs“der Scientologen absolvieren, später stieg sie in der Hierachie der Organisation auf. Mit 16 sei sie „am Ende gewesen“und habe sich zum Ausstieg entschlossen. Doch nur mit Tricks entkam sie.
Während in Berlin mehr als tausend Scientology-AnhängerInnen „für Meinungsfreiheit“demonstrierten (Bericht S. 2), warnte die Hamburger Scientology-Beauftragte Ursula Caberta gestern auf einer Pressekonferenz erneut vor den „gefährlichen Machenschaften“der umstrittenen Organisation. Neben Tanya präsentierte sie zwei weitere Sekten-AussteigerInnen, die über die Unterdrückung und Strafmaßnahmen berichteten, die sie in ihrer aktiven Zeit über sich ergehen lassen mußten.
Weil sie nach dem Auszug von Zuhause auf der Straße gesessen hatte, schloß sich die damals 16jährige Tanya vor zwei Jahren einer in der Nähe von London stationierten „Sea Organization“der Scientologen an, die nach Erkenntnissen Cabertas „die Eliteeinheit der Organisation“ist. Empfand sie es am Anfang noch „als große Ehre“, in den erlauchten Kreis aufgenommen zu werden, verkehrte sich Tanyas Freude schnell in eine Qual.
Um überhaupt die Schwelle des Hauptquartiers „Saint Hill“übertreten zu dürfen, mußte sie erst eine Reihe von „Sicherheitsprüfungen“über sich ergehen lassen. Während sie an einen Lügendetektor, das sogenannte E-Meter, angeschlossen wurde, mußte sie detaillierte Fragen über ihr Sexualleben beantworten und darüber Auskunft geben, ob sie Freunde habe, die der Organisation negativ gegenüberstünden.
„Siebzehn Stunden“am Tag habe sie arbeiten und die Schriften des Sektengründers L. Ron Hubbard studieren müssen, berichtete die junge Hamburgerin. Der vereinbarte Lohn von 30 Pfund pro Monat sei ihr nur zum kleinsten Teil ausgezahlt worden. Nach einigen Monaten hatte Tanya N. genug vom seligen Sektenleben, doch die Scientologen hätten „sie nicht rausgelassen“. Schließlich behauptete die 16jährige, die in Saint Hill „keine Minute allein“und niemals unbewacht gewesen ist, ihr Vater liege im Sterben. Nach mehreren erneuten Befragungen mit dem E-Meter bekam sie schließlich drei Wochen „Urlaub“. Genug Zeit, um mit Caberta Kontakt aufzunehmen und die Flucht vorzubereiten.
In Hamburg versucht sie nun, nach sechzehn Jahren Sekte „ein normales Leben zu führen“. Doch so ganz normal wird die Existenz der Aussteigerin so schnell nicht werden. Weil sie noch monatelang nach ihrer Flucht Drohanrufe von Scientologen bekam, hat Tanya N. von der Polizei inzwischen eine Geheim-Nummer erhalten.
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