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Der abgemaierte Willfried und Co.

Jetzt geht's um die Senats-Wurst: Die Sozis wollen das Schlüsselressort Finanzen nicht hergeben. Die GAL sieht rot. Und beide Parteien haben haufenweise Personalsorgen  ■ Von Silke Mertins

„Naaajaa“, sagt Bürgermeister in spe Ortwin Runde (SPD), „40 Prozent“der Redezeit in den rotgrünen Koalitionsverhandlungen gingen schon auf sein Konto. Dafür könne er aber nichts. Noch sei er schließlich Finanzsenator und seine Fachkompetenz praktisch bei jedem Thema gefragt. Runde hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen und ist deshalb übrigens auch selbst vom Sozial- ins Verteilungsressort gewechselt: Noch nie waren FinanzsenatorInnen so mächtig wie heute.

Ohne Rundes Zustimmung ging in der abgelaufenen Legislaturperiode nichts. Seine Nase konnte er in jede Behörde stecken. Und genau deshalb will der künftige Stadtchef den GALiern auch diesen, neben dem des Ersten Bürgermeisters wichtigsten, Posten nicht überlassen. Denn zutrauen würde Runde dem grünen Anwärter auf dieses Ressort, Ex-GAL-Fraktionschef Willfried Maier, den Job durchaus.

„Herr Maier hätte das Naturell zum Systemklempner“, sagte Runde vor knapp einem Jahr im taz-Interview. Und er kann den grünen Doktor der Philosophie, der sich nicht nur als Fraktionschef und Haushaltsexperte als kluger Kopf und unerschrockener Modernisierer profiliert hat, sogar recht gut leiden. Aber dennoch oder gerade deshalb sollen die Finanzen in SPD-Hand bleiben; Runde sähe gern, daß seine Staatsrätin Ingrid Nümann-Seidewinkel – ehemals Bezirksamtsleiterin in Eimsbüttel – auf den Senatssessel aufrückt. Das würde auch der SPD-Frauenquote guttun.

„Mal sehen, ob's klappt“, fühlt der grüne Willfried sich schon richtig abgemaiert. Möglicherweise wollen die SozialdemokratInnen den Preis nur hochtreiben oder diesen zentralen Posten nicht kampflos räumen. Allerdings: Die wichtigsten Realos fordern die Finanzen zwar mit Nachdruck. Doch ob der Partei dieses Ressort so am Herzen liegt? Maier hat erhebliche Zweifel. Schweren Herzens hat er gar schon überlegt, ob er – von Beruf Dozent – die Schulbehörde übernehmen soll.

Am liebsten wäre Maier aber, die linke Parteisprecherin Antje Radcke würde Schulsenatorin. Doch die will eigentlich nicht. Es wurde bisher allerdings auch versäumt, sie lauthals anzuflehen. Dabei könnte sie Schule wunderbar mit dem Bereich Frauen und Gleichstellung, der den Grünen so wichtig ist, verbinden. Denn soviel steht fest: Verhandlungsführerin Krista Sager, die ohne Zweifel Wissenschaftssenatorin und Zweite Bürgermeisterin werden wird, hat keine Lust auf den Zusatztitel Frauensenatorin.

Völlig offen ist die Frage, wie die Umweltbehörde besetzt werden soll. Der Mitte-Links-GALier Alexander Porschke würde ach so gern das Erbe des von uns gegangegnen Fritz Vahrenholt (SPD) antreten. Doch die Linksaußen-Gruppe „Zwischen allen Stühlen“(ZAS) um Norbert Hackbusch hat mal wieder eine Berliner Ex-Hamburgerin ins Spiel gebracht: Erika Romberg. Zum Entsetzen der Realos („Die Frau ist zickig“) steht sie schon in den Startlöchern. Die Mitgliederversammlung, findet die ZAS, soll sich am 9. November zwischen selbst Mann Porschke und Frau Romberg entscheiden.

Über die Sorgen um die Senatsposten hat die GAL den Fraktionsvorsitz fast vergessen. Wenn Sager, Maier und Porschke in den Senat aufrücken, müßte eigentlich eine linke Frau an die Fraktionsspitze. Im Gespräch ist aber ein rechter Mann: der Realo-Strippenzieher und Fahrrad-Fundi Martin Schmidt, der nicht nur das Format und die rhetorische Begabung hätte, sondern auch grüne SenatorInnen behüten würde wie eine Henne ihre Küken. Bedeutend ungemütlicher für den Senat würde es mit einer Fraktionschefin Anna Bruns. Doch die ziert sich ohnehin und hätte auch nur Chancen auf eine Mehrheit, wenn die Realos sie unterstützten. Und dann geht den Linken auch schon das Personal aus.

In diesem Punkt haben GAL-Linke und SPD-Rechte endlich eine Gemeinsamkeit gefunden. Nach dem Abgang des roten Übervaters Henning Voscherau macht sich langsam Panik breit, wie man das Loch zwischen ollen Kamellen wie der jetzigen Fraktionschefin Elisabeth Kiausch oder Bausenator Eugen Wagners Platzhalter Ingo Kleist und einer Nachfolgegeneration füllen soll. Erschüttert sieht man sich und die eigene Personalnot mit einem linken Überangebot konfrontiert.

Ginge es nach Kompetenz, Begabung und dem „neuen Typ“der Post-Voscherau-SPD, den manche Sozialdemokraten heraufbeschwören, könnte es der bisherige Haushaltsausschußvorsitzende Walter Zuckerer werden. Doch bei einem linken Bürgermeister und einem linken Parteichef steht der Fraktionsvorsitz eigentlich einem Rechten zu. Bloß wem? Der Name Eugen Wagner wird zuweilen in den Ring geworfen. Aber würde der „Königsmacher“des designierten Bürgermeisters seinen Senatsposten aus eigenem Antrieb zugunsten der Fraktionsspitze räumen? Holger Christier und Uwe Grund, beide bisher zweite Garnitur, werden ebenfalls als Möglichkeiten genannt. Und auch die Altlinken wie Jan Ehlers – derzeit Fraktionsvize – wollen in rotgrünen Zeiten einen angemessenen Platz zugewiesen bekommen. Zu allem Überfluß wird auch mancher Noch-Senator in die Bürgerschaft zurückgespült werden: Wissenschaftssenator Leonhard Hajen zum Beispiel. Gedränge, wohin man sieht.

Der Voscherau-Vertraute Thomas Mirow, der mit Runde vergeblich um das Amt der Bürgermeisters konkurrierte, wird auf jeden Fall dem Senat erhalten bleiben. Er soll das um Stadtentwicklung und Verkehr angereicherte Wirtschaftsressort übernehmen. Der Rest wird wohl alter sozialdemokratischer Sitte vergeben: einer rechts, einer links, einen fallenlassen.

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