: Filmischer Nasenfetischismus
Nasenfotos und Ohrenbilder. Der Attentäter, der 1981 auf Ronald Reagan geschossen hat, war ein Nasenfetischist. Im Gefängnis konnte er eine überwältigende Sammlung von Fotos aufbauen, die seine Thesen zur menschheitsgeschichtlichen Bedeutung der Nase stützen. Seine Gedanken zu Form und Funktion dieses vordersten Gesichtsteils, die Vorstellung, daß visuelle Überbeanspruchung zu Nasenkrankheit führt und weitere wohlig-wahnsinnige Wissenschaft dokumentiert der 20minütige Film Der Herostrat des Hamburgers Michael Heinrich.
Der Künstler arbeitet bereits seit langem mit Ausstellungen, Fotos und Filmen an einer Reihe über die fünf Sinne. Jetzt sind zwei seiner Filme unter dem Titel Neues aus dem Reich der Sinne in den Kinoverleih gekommen. Spielt der erste Film mit den Formen medialer Bilderzeugung, stellt Der unverrück-bare Ort ein Bild des Frührenaissancemalers Filippo Lippi nach. Anhand der fünf unterschiedlichen Aspekte der Verkündigung Mariae behandelt er die „Fleischwerdung des Wortes“durch das Ohr. Im Dis-put zwischen Wissenschaftlern, Fürsten und Mönchen entwickelt sich im historischen Gewand eine komplexe Kommunikationstheorie von der Scholastik bis zu Ludwig Wittgenstein, deren Analysen weit moderner sind, als ihre altmeisterlichen Formen.
Für die Fortsetzung der Reihe sucht Michael Heinrich für das Thema „Haut und Leidensgeschichten“vierzehn Männer, die sich jeweils eine Station der Passion Christi nach Lucas Cranach tätowieren lassen.
Hajo Schiff
Premiere: Metropolis, Freitag 19 Uhr; dann Sa 21.15, So 19 Uhr. Kontakt M.Heinrich, Europäisches Filmbüro, Friedensallee 14-16
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