: Auftritt PC
■ Fanny Müller:
Mal ehrlich, für den Auftritt von Dr. Voscherau hätte sich doch kein Schwein auf die Socken gemacht. Was die Leute aber nun an Prinz Charles finden, weiß ich schon zweimal nicht.
Jedenfalls kam ich zu spät auf dem Rathausmarkt an, weil Rouge auflegen und Fußnägel neu lackieren mehr Zeit beansprucht hatten als vorgesehen. Es wurde schon Purcell oder Händel vom Balkon geblasen, als ich einlief. Frage eines Jugendlichen an einen anderen: „Was issen das für ne Musik?“ Antwort: „Weltkriegs-Jingle, Blödmann“.
Ich muß am Rande stehenbleiben, weil gerade ein Trupp Demonstranten abgeschleppt wird, der ein Transparent trägt: „Deutsche Täter sind keine Opfer“ (was von der MoPo am nächsten Tag mit „Deutsche Opfer sind keine Täter“ fast beinahe korrekt dementiert wurde). Ein Polizist gibt Fachsprache in sein Walkie-Talkie ein: „Der Staatsakt wird von störenden Störaktionen – äh – gestört.“
Während der Rede des Ober-Konfirmanden beschäftigt mich die Frage, ob dreifache Negation den Urzustand wiederherstellt oder nicht. Danach diskutiere ich mit einer Kollegin den Bericht im Hamburger Abendblatt, worin steht, daß PC im Gästehaus des Senats spartanisch untergebracht sei, und als was das H.A. wohl unsere respektiven Unterkünfte bezeichnen würde (Unterschlupf? Behelfsheim? Räuberhöhle?).
Dann Auftritt PC. Von der Pressetribüne aus kann ich trotz Fernbrille kaum etwas sehen, noch nicht mal die Ohren. Aber hören kann ich gut, nämlich „Krieg ist ein unerklärliches Paradox“. So ist es. Ähnlich wie die unerklärliche und paradoxe Erhöhung meiner Miete. „Er zeugt von schlimmster Entartung“ (mein Vermieter), „aber auch von selbstloser Aufopferung“ (ich). Allerdings habe ich einen Rechtsanwalt, womit die Parallelen wieder im Arsch sind. Da habe ich dann keine Lust mehr zuzuhören und wende mich der Frage zu, wen ich lieber vorne gesehen hätte: Elizabeth II (die letzte Frau auf dieser Welt, die im Damensitz reitet), die Queen-Mum (immer einen Gin-Tonic in Reichweite) oder Diana (immer einen Reitlehrer in Reichweite).
Am allergernsten hätte ich allerdings John Cleese gesehen, aber ich glaube nicht, daß der zur Verwandtschaft gehört.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen