piwik no script img

Eine Reformidee für den Papierkorb?

■ Behörde verzögert grünes Licht für „Produktionsschule“ / Angeblich nicht kostenneutral

Die Idee ist gut, davon ist nicht nur der engagierte Berufsschullehrer Tom Johanssen überzeugt. Seit vier Jahren bemüht er sich zusammen mit anderen Pädagogen des „Vereins Produktionsschule“, in Hamburg eine solche nach dänischem Vorbild zu etablieren.

Handelskammer und Handwerkskammer haben sich dafür ausgesprochen, ebenso der Schulausschuß der Bürgerschaft und auch das Stadtparlament selbst. Das Konzept ist simpel. Jugendliche ohne Ausbildungsplatz, deren Beschulung in sogenannten „Berufsvorbereitungsklassen“ (BVK) häufig nicht fruchtet, sollen in der Schule etwas produzieren und dafür auch entlohnt werden. Die dadurch entstehende Anerkennung soll Motivation schaffen und somit die Pädagogik revolutionieren.

In Dänemark gibt es 120 dieser Schulen, die von der Film-Produktion bis hin zum Sandkastenbau zahlreiche Tätigkeitsfelder entdeckt haben. Produktionsschulen sind dort längst etabliert.

Doch während Tom Johanssens Verein mit Pädagogen und Bezirkspolitikern eine Reise nach der anderen ins Mekka der progressiven Berufsschulpädagogik unternimmt, um sie von den Vorzügen dieses Systems zu überzeugen, kommen in Hamburg die Dinge nicht so recht voran. Bereits vor Jahren hatte eine hochkarätig besetzte Arbeitsgruppe in der Schulbehörde eine Senatsdrucksache zuwege gebracht. Das Vorhaben scheiterte am Kostenargument. In einer eigens organisierten Anhörung beschäftigte sich darauf der Schulausschuß der Bürgerschaft mit dem Modell. Die Folge: Im Mai '94 bekam die Schulbehörde von der Bürgerschaft den Auftrag, bis zum Herbst ein Konzept zu entwickeln, wie eine Produktionsschule „kostenneutral“ installiert werden könnte. Angepeilter Start: das nächste Schuljahr.

Die Aufgabe wurde in eine Arbeitsgruppe delegiert, der neben Schulleitern und Oberschulräten auch die in Sachen Produktionsschule engagierten Berufsschullehrer angehören. Und laut Tom Johanssen wurde ein kostenneutrales Konzept längst gefunden. Ein leerstehendes Gebäude der Gewerbeschule 14 am Landwehrbahnhof stünde bereit. Das pädagogische Personal müßte per Beurlaubung von den staatlichen Berufsschulen herübergeholt werden. Die Kapazität würde eingespart bei den ebenfalls nicht billigen BVKs.

Die Berechnungen der Arbeitsgruppe hätten „haushaltsrechtlich“ keinen Bestand, kontert Schulbehördensprecher Ulrich Vieluf. Es sei die Frage, ob die gewünschten Schüler – nämlich 45 sogenannte Dauerschulschwänzer und 45 potentielle BVK-Schüler, davon sechs Behinderte – auch tatsächlich rekrutiert werden könnten. Um dies zu klären, brauche die Behördenleitung noch Zeit. Vieluf: „Ein Start zum nächsten Schuljahr ist praktisch ausgeschlossen.“ K. Kutter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen