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Die Besetzung am Ende des Modells

■ Eimsbüttel: SchülerInnen besetzen für eine Nacht eine Schule, die es nicht mehr gibt

Solidarität kann manchmal grenzenlos sein. In Eimsbüttel etwa sorgen sich Schülerinnen und Schüler einer Oberstufe um ihre Schulsekretärin und deren Chef. Der Grund: Die Arbeit der Sekretärin wurde von einer 30- in eine 25-Stunden-Stelle umgewandelt, die Stelle ihres Chefs wurde auf drei Jahre begrenzt. Eine Unverschämtheit, meinten rund 200 SchülerInnen und besetzten gestern für eine Nacht die eigene Schule. Mit Kerzen und Schlafsäcken gewappnet machten die angehenden Abiturienten die Nacht zum Tag und die Besetzung zum Happening: Drei Bands spielten auf, der Theaterworkshop war überlaufen, in Politikzirkeln wurde heftigst diskutiert.

Gerhard Krupski, der frühere Schulleiter des Bismarck-Gymnasiums, ist schon im Vorfeld der Aktion völlig angetan: „Ist doch toll, wenn sich Schüler für die eigene Schule einsetzen.“Was der Mann verschwieg: Die Aktion der GymnasiastInnen galt nicht zuletzt ihm. Denn Krupski ist in den vergangenen Jahren als Schulleiter dafür zuständig gewesen, das Bismarck-Gymnasium abzuwickeln. Schon vor zehn Jahren beschloß die Schulbehörde, die Schule wegen zu geringer Schülerzahlen auslaufen zu lassen. Im Sommer verließen die letzten Abiturienten das Haus. Seither werden die Gebäude der Schule von den Oberstufenschülern der benachbarten Gymnasien Helene-Lange und Kaiser-Friedrich-Ufer (Kaifu) genutzt. Krupski ist nur noch drei Jahre lang Leiter des Hauses – bis er pensioniert wird. Danach soll die Stelle nicht wieder besetzt werden.

Daß es überhaupt zu dieser Lösung kam, liegt daran, daß die Oberstufen von Helene-Lange-, Kaifu- und dem ehemaligen Bismarck-Gymnasium seit 25 Jahren im „Eimsbütteler Modell“zusammengelegt sind. Der Vorteil dieser Kooperation: Viele Leistungskurse kommen zustande, da es genügend SchülerInnen gibt, die sich für sie einschreiben. Das Kursangebot, so erläutert Schulsprecherin Susanne Schwarz, reicht von Russisch und Spanisch bis hin zu Philosophie und Psychologie.

Nun fürchtet die 19jährige um das Modell, „obwohl doch immer noch allein 600 SchülerInnen die gemeinsame Oberstufe besuchen“. Reiner Schmitz vom Amt für Schule sieht das anders: „Die wollen nicht einsehen, daß die Bismarck-Schule faktisch nicht mehr existiert“. Und das sei den Schulen schon seit zehn Jahren klar. Die Anregung zu der ganzen Besetzungsaktion, so vermutet Schmitz, „kommt aus den Schulleitungen der beiden verbliebenen Schulen“. Die hätten bisher tatsächlich eine „üppigere“Ausstattung gehabt. Statt nun zwei gab es mal drei Schulleiter, statt bisher drei sind es ja auch nur noch zwei Schulen.

Früher, so Schmitz, habe jede Schule nur alle drei Jahre die Abifeier ausrichten müssen, man wechselte sich eben ab. „Jetzt müssen sie's alle zwei Jahre machen. Das ist wohl die Mehrbelastung, von der da dauernd die Rede ist.“

Karin Flothmann

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