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Beliebiges Beömmeln

■ Nur beinahe lustig: Axel Schneiders „Feuerzangenbowle“hatte im Altonaer Theater Premiere

Was jeder kennt, muß noch lange kein Kult sein. Die Feuerzangenbowle ist eines der vielen Kulturerzeugnisse, die Kultstatus beanspruchen: ein leckeres Heißgetränk, ein Roman von Heinrich Spoerl und Hans Reimann, ein Zelluloid-Schinken mit Heinz Rühmann, alle Jahre wieder vor großem Publikum im Audimax zu sehen, wovon er keineswegs besser wird – und schließlich auch ein Theaterstück. In dieser Erscheinungsform ist das angebliche Kultobjekt im Altonaer Theater im Vorweihnachtsprogramm zu sehen.

In Szene gesetzt vom Chef höchstselbst, die Hauptrolle mit dem langsam, aber unaufhaltsam zum Publikumsliebling avancierenden Franz-Joseph Dieken besetzt, erbringt das Stück einen weiteren Beweis für Axel Schneiders goldenes Händchen. 8000 Karten sind schon im Vorverkauf losgeschlagen worden. Die Premiere am Samstag zeitigte dann ein volles Haus und beinahe frenetischen Beifall. Wofür eigentlich?

Im Vergleich mit dem Rühmann-Streifen ist Schneiders Feuerzangenbowle fast erfrischend, obwohl er der verstaubten Komödie kein Körnchen von den Schultern geklopft hat. Wollte er ja auch gar nicht. Gerade die antiquierte Sprache und die Schüchternheit der Schüler machten den Charme des Stückes aus, tat er im voraus kund. Stimmt das? Eigentlich nicht. Klar, wer in der eigenen Schulzeit noch Oberprimaner hieß, hat sich bei der Betrachtung überkommener Disziplinierungs-Rituale nach Belieben beömmeln können. Aufstehen, setzen, nach vorne kommen und den Lehrer mit „Herr Professor“anreden müssen – wer heute unter der Obhut staatlicher Bildungsanstalten leiden muß, findet den Kontrast vielleicht auch amüsant. Dazwischen klafft allerdings ein Loch von etlichen Jahrzehnten. Und wer sich lebhaft daran erinnert, wie übel es ist, drei Stunden zu früh aufzustehen und den Lehrer aus dem Bett klingeln zu müssen, dem sagt diese Thematik rein gar nichts.

Zumal Axel Schneider zu der Weihnachtsklamotte nicht viel eingefallen ist, von einigen volkstümlichen Gesangseinlagen abgesehen, die so peinlich ausfallen, daß sie fast – aber auch nur fast – lustig sind. So bleibt Respekt vor einer soliden schauspielerischen Leistung, Schmunzeln über ein paar gelungene Gags und das Zugeständnis, daß Franz-Joseph Dieken besser aussieht als Heinz Rühmann vor gut einem halben Jahrhundert. Was allerdings wirklich kein Kunststück ist. Dann noch ein verhaltenes Gähnen und das Zurechtrücken von Prioritäten: Die Feuerzangenbowle ist ein leckeres Heißgetränk, ein schlechter alter Film und ein mittelmäßiges Theaterstück. Kult ist die übertriebene Verehrung einer Person oder eines Gegenstandes. Also doch.

Barbora Paluskova

bis zum 3. Januar 1998,

Altonaer Theater

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