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Verheugen lobt Grüne

■ SPD-Außenpolitiker Günter Verheugen diskutierte mit der Grünen-Bundesarbeitsgemeinschaft "Frieden". Die Nato als Reizthema

Hannover (taz) – Grundsätzlich große Gemeinsamkeiten zwischen Grünen und Sozialdemokraten sieht der außenpolitische Sprecher der SPD, Günter Verheugen, in der Sicherheits-, Entwicklungs- und Außenpolitik.

„Ein unvoreingenommener Vergleich unserer Programme zeigt, daß die Schnittmenge bei 90 bis 95 Prozent liegt“, sagte Verheugen am Samstag in Hannover vor der Grünen-Bundesarbeitsgemeinschaft „Frieden“. Sowohl der außenpolitische Leitantrag für den kommenden SPD-Bundesparteitag als auch der außenpolitische Teil des Grünen-Wahlprogramms würden von dem gleichen Denkansatz, einem neuen Sicherheitsbegriff, ausgehen.

In der Analyse und Beschreibung der neuen Risiken, die der internationalen Sicherheit durch die weltweite Entfesselung der Marktkräfte und durch soziale und ökologische Krisen drohten, stimmten beide Papiere völlig überein, stellte der SPD-Politiker fest. Beide Parteien würden auch in gleicher Weise auf präventive Vermeidung internationaler Konflikte und auf friedliche Konfliktbeilegung setzen, lobte Verheugen gerade jenen außenpolitischen Teil des Grünen- Wahlprogramms, dessen Entwurf bereits für erhebliche innergrüne Kontroversen gesorgt hatte.

An der vierstündigen Diskussion in Hannover nahmen neben den von den Grünen-Landesverbänden bestimmten Mitgliedern der Bundesarbeitsgemeinschaft „Frieden“ auch eine Reihe von Grünen Europa- und Bundestagsabgeordneten teil. Widerpart oder Partner von Verheugen auf dem Podium war der Bundestagsabgeordnete Ludger Volmer. Auch der grüne Bundessprecher Jürgen Trittin verfolgte als Zuhörer den ersten Teil der rot-grünen außenpolitischen Diskussion und dankte Verheugen in einer Debattenpause nicht nur für dessen Kommen, sondern auch für überfällige Klarstellungen. Nach einer zweiten Runde, in der sich Verheugen mit zahlreichen kritischen Fragen zur Nato, zur Westeuropäischen Verteidigungsunion (WEU) und zu einer möglichen Großmachtrolle der EU konfrontiert sah, relativierte der SPD-Politiker seine Eingangsstatements allerdings erheblich. „Die Schwierigkeiten einer rot-grünen Bundesregierung werden in der Praxis sehr, sehr groß sein“, konstatierte Verheugen abschließend.

Eine Art außenpolitisches Regierungsprogramm „für die nächsten vier Jahre“, versuchte der Bundestagsabgeordnete Ludger Volmer zu umreißen. Volmers zwölf Punkte reichten von einem „integrierten europäischen Sicherheitssystem auf Grundlage einer gestärkten OSZE“, über die „Re- regulierung der Weltwirtschaft“ und einen im Grundgesetz verankerten Atomwaffenverzicht, bis hin zum Verbot aller Landminen und dem Aufbau eines zivilen Friedensdienstes. Auch Verheugen sah genügend Berührungspunkte zwischen SPD und Grünen für eine gemeinsame Bonner Außenpolitik und meinte, man könne auch ein 25-Punkte-Programm für eine künftige Koalitionsregierung aufstellen. Nachdem die Grünen- Bundestagsabgeordnete Angelika Beer die Position ihr Partei allerdings noch einmal pointierter dargestellt hatte, konstatierten dann beide Seiten Dissens in wichtigen Fragen. Die Grünen sahen die Nato als aggressives Bündnis. Verheugen interpretierte sie vor allem als Nachkriegsbündnis, das Deutschland zivilisieren und ein erneutes deutsches Großmachtstreben verhindern sollte. Die Grünen warnten vor europäischem Großmachtstreben, während Verheugen darauf beharrte, daß ein künftiger „europäischer Gesamtstaat auch eine europäische Gesamtarmee haben muß“.

Verheugen wollte die sogenannten Anti-Tank-Minen vom einem Verbot der Landminen ausgenommen sehen. Er konstatierte zudem einen Widerspruch zwischen dem Versuch, deutsche Rüstungsexporte einzuschränken und der Tendenz zur Europäisierung der Rüstungsindustrie, die nicht mehr aufzuhalten sei. Jürgen Voges

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