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Der Angeklagte spricht

In Augsburg steht der 29jährige Armin Schreiner vor Gericht. Er soll die siebenjährige Natalie Astner ermordet haben  ■ Von Klaus Wittmann

Als der Angeklagte in den Gerichtssaal geführt wird, steigen draußen vor den Fenstern schwarze Luftballons einer Mahnwache in den Himmel. Natalies Eltern, Hannes und Christine Astner, sitzen zunächst regungslos auf ihren Plätzen. Als dann Armin Schreiner beginnt, sein vorbereitetes Geständnis zu verlesen, hält es den Vater des getöteten Mädchens nicht mehr an seinem Platz. Schreiner spricht gerade von seinen Depressionen, davon, daß er Probleme mit seiner Exfreundin, mit Frauen allgemein gehabt habe. Er erzählt, daß ihm das Telefon gesperrt worden sei und ihm alles schrecklich leid tue. Könnte er die Tat ungeschehen machen, würde er sein eigenes Leben dafür geben. Da springt Hannes Astner auf, springt auf den Angeklagten zu, der hinter einer eigens für ihn aufgebauten Panzerglasscheibe sitzt. Er brüllt: „Du Drecksau, du scheinheilige.“ Drei Polizeibeamte zerren ihn aus dem Gerichtssaal. Seine Frau folgt ihm weinend in einen Nebenraum, der von Polizeibeamten streng bewacht wird. Erst eineinhalb Stunden später kommen die Eltern wieder in den Gerichtssaal.

Christine und Hannes Astner hören nicht, wie Armin Schreiner ganz detailliert von der Tat berichtet. Am Morgen des Tattages sei er von einem Alptraum erwacht. An sich wollte er die Exfreundin in Landsberg besuchen, die sich von ihm abgewandt und einem anderen zugewandt habe. Doch vor dem Spiegel sei ihm dann der furchtbare Gedanke gekommen, ein Kind sexuell zu mißbrauchen. Der Gedanke daran, die Vorstellung, Macht über ein Kind auszuüben, habe ihn erregt. Er packt Nylonschnüre ein, eine Strumpfhose, die er später als Maske benutzt. Dann werden die Aussagen widersprüchlich. Er habe eigentlich doch kein Kind mehr entführen und mißbrauchen wollen, sondern nur noch die Exfreundin zu einem Gespräch bitten wollen. Doch bei deren Wohnung seien die Fenster dunkel gewesen. Es war noch zu früh, sagt Schreiner. Er fährt in der Gegend umher, trifft in Epfach, wo er früher einmal wohnte, auf die siebenjährige Natalie.

Schreiner sagt, er habe das Mädchen in den Kofferraum geworfen, sei zunächst mit ihr ziellos hin und her gefahren. Schließlich verging er sich sexuell an dem Mädchen, versprach ihr, sie nicht zu töten. „Das Kind schrie mehrmals, fragte mich, ob ich Ausländer bin, Italiener“, schildert der Angeklagte. Dann erzählt er genau, wie die Peinigung des Mädchens verlief. „Ich wollte sie freilassen, habe ihr gesagt, sie soll nicht gucken. Ich löste ihr die Handfesseln. In diesem Moment drehte sie sich um.“ Als sie ihm ins Gesicht sah, drehte er durch und schlug sie mit dem Kopf gegen einen Baum, berichtet der schmächtige Mann hinter der Glaswand. Im Zuschauerraum des Landgerichts wird einmal mehr Unmut laut. Natalie sei bewußtlos gewesen, aber er habe sie auch zu diesem Zeitpunkt nicht töten wollen. Dann allerdings habe er Geräusche gehört und das bewußtlose Mädchen in den Lech geworfen.

Pädophile Gedanken habe er erstmals schon einige Zeit zuvor in der Haftanstalt bei sich bemerkt. Verdrängt habe er sie, weil er sich geschämt habe. Dann erzählt Armin Schreiner, er habe einige Wochen vor der Tat Haschisch geraucht, was ihn sexuell noch mehr angestachelt habe. Irgend was sei dann auch noch mit Heroin gelaufen, das man ihm angeboten habe. Der Vorsitzende Richter Hans- Reiner Schultz hakt nach, sagt dem Angeklagten, daß ihm zu viele Widersprüche in dessen Geständnis aufgefallen seien. Zuvor schon hatte das Gericht einen Antrag auf Haftaussetzung des Anwalts von Armin Schreiner abgelehnt. Eine dritte Gutachterin, eine von Schreiner gewählte, wollte der Anwalt durchboxen. Und wieder steht dann bei diesem Antrag, der erwartet wurde, unmißverständlich die Kernfrage dieses Verfahrens im Raum: vermindert schuldfähig oder nicht. Aber bis darüber entschieden wird, muß noch voraussichtlich fünf Tage lang verhandelt werden.

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